11. Mai, 2024

Märkte

Zentralbanken zögern Zinssenkungen hinaus – US-Inflationsdruck wirkt sich weltweit aus

Zentralbanken zögern Zinssenkungen hinaus – US-Inflationsdruck wirkt sich weltweit aus

Die jüngsten Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten deuten auf eine wachsende Zurückhaltung bei bevorstehenden Zinssenkungen hin, was vor allem durch die anhaltenden Inflationsprobleme in den USA beeinflusst wird. Diese Entwicklung erschwert es anderen Zentralbanken, insbesondere der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bank of England (BoE), ihre Pläne zur Lockerung der Geldpolitik umzusetzen.

James Knightley, Chefökonom für internationale Wirtschaft bei ING, sieht eine globalisierte Dimension in der Inflationsproblematik der US-Notenbank. Sollte die Federal Reserve ihre Zinssätze nicht zeitnah senken, könnte dies zu einer Aufwertung des US-Dollars führen, die wiederum Stress für die europäische Wirtschaft bedeutet und den Handlungsspielraum anderer Zentralbanken bei Zinssenkungen einschränkt. Knightley warnt zudem vor möglichen Parallelen zwischen US-Inflationsentwicklungen und solchen in Europa.

Trotz der Argumente einiger hochrangiger Vertreter der EZB und BoE, dass sie nicht die gleichen Inflationsprobleme wie die Vereinigten Staaten erleben, reflektieren die Veränderungen auf dem Terminmarkt, dass die US-Inflationssorgen sehr wohl globale Auswirkungen haben.

Händler rechnen nun mit einer durchschnittlichen Senkung der EZB-Zinssätze um etwa 0,7 Prozentpunkte in diesem Jahr, beginnend mit der nächsten Sitzung am 6. Juni, während vor zwei Wochen noch Senkungen von insgesamt 0,88 Prozentpunkten erwartet wurden. Zu Jahresbeginn hatte die Prognose noch bei 1,63 Prozentpunkten gelegen.

Auch bei der BoE haben sich die Erwartungen verändert: Hier gehen Marktteilnehmer nun von Zinssenkungen um 0,44 Prozentpunkte im aktuellen Jahr aus, im Vergleich zu 0,56 Prozentpunkten vor zwei Wochen und 1,72 Prozentpunkten zu Jahresbeginn.

Nathan Sheets, Chefökonom bei der amerikanischen Bank Citi, erkennt zwar gute makroökonomische Gründe für eine Divergenz, betont jedoch, dass es Grenzen gibt. Für die EZB sei es "herausfordernder", in einem Umfeld aggressiv zu schneiden, in dem die Fed noch wartet.

Fed-Vorsitzender Jay Powell räumte diesen Monat ein, dass die US-Inflation längerfristig über dem Ziel liege und somit möglicherweise höhere Kreditkosten erforderlich wären.

Einige Marktteilnehmer setzen sogar auf Zinssteigerungen der Fed in den nächsten zwölf Monaten nach jüngsten Inflationsdaten, die über den Erwartungen lagen.

Marcelo Carvalho, Leiter der globalen Wirtschaft bei BNP Paribas, betonte, dass die EZB weder "Fed-abhängig" noch "Fed-unempfindlich" sei, während europäische Top-Banker auf eine weniger ernste Inflationsproblematik und somit auf eine anders geartete Reaktion bestehen.

Die Offiziellen der EZB und BoE haben angedeutet, dass trotz der Inflationsentwicklung, welche zur Preiseinpreisung der ersten Fed-Zinssenkung im November geführt hat, Zinssenkungen noch diesen Sommer erfolgen könnten.

Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau sieht nach Juni "pragmatische" Zinssenkungen, während der österreichische Zentralbankchef Robert Holzmann es schwierig fände, wenn eine zu weite Abweichung von der Fed-Politik stattfände.

Die zurückhaltende Haltung der Fed in Bezug auf Zinssenkungen beeinflusst bereits Japans finanzielle Situation, wo die Investoren die Notwendigkeit sehen, dass die Bank of Japan die Kreditkosten erhöhen müsste, als Folge des schwächeren Yen und steigender Importpreise.

Fabio Panetta, Chef der italienischen Zentralbank, sieht in der Straffung der US-Politik eine mögliche Stärkung des Falls für eine Zinssenkung in der Eurozone.

Die globale Politik der USA hat auch auf die Anleihemärkte Einfluss, wobei die deutschen 10-jährigen Bundesanleihen oft den US-amerikanischen 10-jährigen Treasury Notes folgen.

Die EZB könnte laut BNP Paribas aufgrund der durch die US-Märkte getriebenen höheren europäischen Anleiherenditen gezwungen werden, ihre Zinssätze stärker zu senken, um straffere finanzielle Bedingungen auszugleichen.

Tomasz Wieladek von T Rowe Price plädiert dafür, dass die EZB und BoE gegen diese Straffung der globalen finanziellen Bedingungen aktiv vorgehen müssen, um ihre eigenen Wirtschaftsbedingungen in Einklang zu bringen.