Es klingt wie ein PR-Gag aus dem Marvel-Universum: Ein republikanischer Gouverneur geht auf offener Bühne auf Konfrontation mit einem der größten Arbeitgeber seines Bundesstaats – und dieser ist kein Geringerer als die Walt Disney Company.
Was im Frühjahr 2022 begann wie ein politischer Schlagabtausch über Bildungsgesetze, hat sich mittlerweile zu einem ausgewachsenen wirtschaftlichen Stellvertreterkrieg entwickelt. Und der zeigt mit aller Härte, wie fragil selbst langjährige Standortbündnisse in den USA inzwischen geworden sind.
Ausgangspunkt: Das „Don’t Say Gay“-Gesetz
Auslöser des Konflikts war ein umstrittenes Gesetz, das im März 2022 von Floridas Gouverneur Ron DeSantis unterzeichnet wurde. Es untersagt Lehrkräften, in Grundschulen über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu sprechen – bekannt geworden als das „Don’t Say Gay“-Gesetz.
Disney, lange als liberal-progressiver Konzern bekannt, sah sich nach massivem öffentlichen Druck gezwungen, dagegen Stellung zu beziehen – allerdings erst, nachdem das Gesetz bereits verabschiedet war. Zu spät für die Kritiker, zu politisch für die Rechten. DeSantis reagierte prompt.
Angriff auf ein Privileg
Kurz darauf entzog die Regierung von Florida dem Konzern ein jahrzehntelanges Sonderrecht: die Kontrolle über das „Reedy Creek Improvement District“, jenes Areal rund um Disney World, auf dem Disney bislang quasi wie ein eigener Mini-Staat schalten und walten konnte – inklusive Infrastruktur, Bauvorgaben und Steuersätze.

Der Entzug dieser Sonderverwaltung war ein Signal: Wer sich gegen die politische Linie stellt, riskiert unternehmerische Konsequenzen. Dass es ausgerechnet Disney traf, einen Konzern, der jährlich über 75.000 Arbeitsplätze in Florida sichert und Milliardenumsätze generiert, ließ aufhorchen.
Investoren verunsichert
Die Wall Street reagierte zunächst nervös. Die Disney-Aktie (DIS) verlor nach der Eskalation weiter an Wert, was allerdings auch mit operativen Problemen in Streaming und Parkgeschäft zusammenhing. Doch der Konflikt trug dazu bei, dass Investoren erstmals grundsätzlich über die Standortverlässlichkeit Floridas nachdachten.
Denn in einem Land, das sich als Hort des Unternehmertums versteht, ist der offene Machtkampf zwischen Staat und Konzern ein tabubrüchiges Novum. Nicht Gesetze, sondern Gesinnung scheint zur neuen Währung der Standortpolitik zu werden.
Gericht, Rückzieher, Unentschieden?
Im Frühjahr 2023 legte Disney Klage gegen die Regierung ein – wegen politischer Vergeltung. DeSantis wiederum setzte einen neuen Aufsichtsrat ein, besetzt mit Parteifreunden.

Der juristische Streit läuft weiter. Anfang 2024 kündigte Disney an, eine geplante Investition von 1 Milliarde US-Dollar in ein neues Bürozentrum in Florida zu stoppen – ein Rückschlag für die wirtschaftliche Entwicklung der Region.
Zuletzt gab es vorsichtige Signale der Deeskalation. Doch der Schaden ist da – nicht nur wirtschaftlich, sondern in der öffentlichen Wahrnehmung von Florida als berechenbarem Wirtschaftsstandort.
Was lernen Investoren daraus?
Der Fall Disney vs. DeSantis ist mehr als ein symbolischer Kulturkampf. Er zeigt, wie sehr politische Polarisierung auch wirtschaftliche Stabilität gefährdet. Unternehmen müssen zunehmend politische Risiken einkalkulieren – selbst innerhalb der USA.
Und der Fall zeigt auch: Selbst als größter Arbeitgeber ist man vor staatlicher Revanche nicht sicher, wenn man sich gegen die falsche Seite stellt. Das ist ein Signal an alle Konzerne, die Standortentscheidungen nicht nur nach Steuern und Infrastruktur, sondern auch nach politischer Planbarkeit treffen.
Was als Kulturkampf begann, ist zu einem wirtschaftlichen Lehrstück geworden. Der Konflikt zwischen Disney und DeSantis markiert eine neue Ära der politischen Standortunsicherheit – mitten in den USA. Für Investoren heißt das: Florida bleibt attraktiv, aber nicht ohne Risiko.
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