Es geht ans Eingemachte: Wer im Staatsdienst steht, muss auf dem Boden der Verfassung stehen – so steht es nicht nur im Beamtenrecht, sondern auch im politischen Selbstverständnis dieses Landes.
Doch was passiert, wenn ein Beamter Mitglied einer Partei ist, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz inzwischen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird?

Die Grünen in Baden-Württemberg wollen auf diese Frage eine konkrete Antwort – und zwar bevor es knallt.
„Verfassungstreue ist kein Nebenfach“
Der Vorstoß ist deutlich: In einem Brief an Innenminister Thomas Strobl (CDU) fordern Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und sein Stellvertreter Oliver Hildenbrand eine systematische Überprüfung aller AfD-Mitglieder im Staatsdienst. Konkret heißt das: Disziplinarverfahren prüfen, Entlassungen ermöglichen, Waffenscheine entziehen.
Man wolle nicht zuschauen, wie Menschen mit einem Hang zur autoritären Ideologie die Verwaltung durchdringen, sagen die beiden Grünen-Politiker.
„Beamte mit AfD-Parteibuch, insbesondere in Justiz oder Polizei, werfen gravierende Fragen auf“, heißt es in dem Schreiben.
Der Staat als Arbeitgeber
Aus Sicht der Grünen ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wer im Namen des Staates handelt, der darf nicht gleichzeitig Mitglied einer Partei sein, die laut Verfassungsschutz gezielt gegen demokratische Grundwerte arbeitet. Das ist nicht Meinung, das ist Konflikt mit dem Amtseid.
Der Rechtsrahmen existiert längst: Beamte, die als extremistisch eingestuft werden, können entlassen werden. Nur: In der Praxis geschieht das selten, meist nach langer Prüfung und unter hohem juristischen Aufwand. Die Grünen wollen das ändern – und die Schwelle für Verfahren systematisch senken.

Waffenrecht im Fadenkreuz
Besonders sensibel: das Thema Waffenbesitz. Die Grünen fordern, dass alle waffenrechtlichen Erlaubnisse von AfD-Mitgliedern unter die Lupe genommen werden – Jagdscheine, Sportschützenlizenzen, private Waffenbesitzer. Wer politisch als unzuverlässig gilt, soll auch nicht bewaffnet sein dürfen, so die Logik.
Rein rechtlich ist das nicht neu: Das Waffenrecht verlangt persönliche Eignung und Verfassungstreue. Doch wie man „Verfassungsfeindlichkeit“ konkret beweist, wenn jemand keine Straftaten begeht, aber ein Parteibuch hat – das wird spannend.
Strobl bremst – Berlin zögert
Das Innenministerium reagiert bislang zurückhaltend. Man warne vor „Schnellschüssen“ und plädiere für eine bundesweit abgestimmte Linie. Auf der nächsten Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven soll das Thema ausführlich diskutiert werden.
Übersetzt heißt das: Baden-Württemberg drängt – aber Berlin zögert. Es ist das alte Spiel zwischen politischem Willen und föderaler Praxis. Einheitlich wäre schön, aber einer muss anfangen.
Zwischen Signal und Symbolpolitik
Kritiker des Grünen-Vorstoßes sehen darin vor allem Symbolpolitik. Die AfD-Mitgliedschaft allein sei kein ausreichender Grund für dienstrechtliche Konsequenzen, heißt es. Doch genau darum geht es: Was folgt eigentlich konkret aus der Einstufung als rechtsextrem? Ist das nur ein Etikett – oder ein Warnsignal mit Folgen?
Die Frage berührt nicht nur das Verhältnis von Staat und Verfassung. Sie stellt auch die Behörden selbst auf den Prüfstand. Wer schaut hin? Wer kontrolliert?
Verfassungstreue ist mehr als ein Lippenbekenntnis
Eines ist klar: Das Vertrauen in staatliche Institutionen hängt auch davon ab, wer sie repräsentiert. Wenn Menschen mit extremer Gesinnung in Uniform oder Robe auftreten, wird das zur Belastungsprobe – für Demokratie, Rechtsstaat und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ob die Initiative der Grünen zum Prüfstein wird oder in den Ausschüssen versandet, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Viel hängt davon ab, ob andere Bundesländer nachziehen – und ob Strobl in Bremerhaven mehr tut als moderieren.
Denn was nützt ein Staat, der Gesetze hat – wenn er sie nicht nutzt?
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