27. Juli, 2024

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Kontroverse um Erdkabel: Länder fordern Kurswechsel bei Netzaufbau

Kontroverse um Erdkabel: Länder fordern Kurswechsel bei Netzaufbau

Die Energiewende stellt Deutschland vor eine gewaltige Herausforderung: Für die Übertragung von Windstrom aus dem Norden in den Süden müssen tausende Kilometer neue Überland-Stromleitungen verlegt werden. Ein erheblicher Anteil dieser Prognosen setzt auf Erdkabel, die allerdings deutlich teurer sind als Freileitungen. Die Kosten werden über die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt, was zu einer kontroversen Debatte geführt hat. Verschiedene Bundesländer fordern nun einen Kurswechsel.

Der Vorstoß kommt maßgeblich von der Union im Bundestag, die beantragt hat, künftig vermehrt auf Freileitungen statt auf Erdkabel zu setzen. Der Vorrang für Erdkabel war 2016 eingeführt worden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und Monstertrassen zu vermeiden. Ein Verzicht auf Erdkabel könnte erhebliche Einsparungen mit sich bringen: Die Bundesnetzagentur schätzt ein Einsparpotenzial von insgesamt 35,3 Milliarden Euro bis 2045.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht in langen Debatten jedoch eine Gefahr für Verzögerungen, die die Energiewende noch teurer machen könnten. Darin unterstützen ihn mehrere Bundesländer, während andere einen Wechsel zu Freileitungen befürworten. Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz sehen die Vorteile vor allem in geringeren Kosten und schnelleren Bauzeiten. Weitere Einsparungen von 18,8 Milliarden Euro bei Offshore-Anbindungsleitungen sind laut Bundesnetzagentur ebenfalls möglich.

Dennoch bleibt der Widerstand stark: Niedersachsens rot-grüne Landesregierung, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen plädieren für den Erdkabelvorrang. Sie betonen die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, die essenziell für den weiteren Netzausbau sei. Auch Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen zeigen sich differenziert, wobei letztere die Gesamtsysteme besser aufeinander abstimmen möchten.

Der Netzausbau schreitet voran, und dieses Jahr wird ein Rekordzubau von rund 1500 Kilometern erwartet. Jedoch bleibt offen, ob und in welchem Umfang künftig auf Freileitungen gesetzt wird. Die Debatte zeigt, wie komplex und vielschichtig die Energiewende in Deutschland ist – eine nationale Herausforderung, die landesweite Kooperation und sorgfältige Abwägung verlangt.