Ein Jahreswechsel mit Umdrehung
Noch im Frühjahr klang der Ton vorsichtiger, fast resignativ. FlatexDegiro, einst der Shootingstar unter den europäischen Neobrokern, rechnete mit einem Rückgang beim Umsatz.

Doch nun, mitten in einem von Unsicherheit, Zinsängsten und geopolitischen Risiken geprägten Marktumfeld, wendet sich das Blatt. Die neue Prognose für das Gesamtjahr 2025 ist ein Befreiungsschlag: Statt bis zu minus fünf Prozent erwartet FlatexDegiro nun ein Umsatzwachstum zwischen vier und acht Prozent – konkret zwischen 499 und 518 Millionen Euro.
Auch der Nettogewinn soll laut aktueller Meldung um satte 15 bis 25 Prozent auf bis zu 139 Millionen Euro steigen.
Vom Krisenbegleiter zum Krisengewinner
Erstaunlich daran ist weniger die Korrektur nach oben als die Deutlichkeit: Das Unternehmen zeigt sich deutlich optimistischer als noch vor wenigen Monaten.
Es profitiert von genau den Verwerfungen, die viele Marktteilnehmer eigentlich verunsichern: Volatile Kurse, hektischer Handel, sprunghafte Nachfrage nach Absicherung – ein ideales Biotop für Transaktionsbasierte Geschäftsmodelle. Wer handelt, zahlt. Und bei FlatexDegiro wurde viel gehandelt.
Nach sechs Monaten meldet der Broker 278 Millionen Euro Umsatz – ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im zweiten Quartal legte der Umsatz noch um elf Prozent zu.
Der Nettogewinn liegt zur Jahresmitte bei 81,5 Millionen Euro, rund ein Drittel mehr als im Vorjahr. Besonders beachtlich: Allein im zweiten Quartal erwirtschaftete das Unternehmen 39,5 Millionen Euro Reingewinn.
Der Markt liebt Momentum – aber nicht ewig
Die Börse reagierte prompt. Die Aktie, zuletzt gebeutelt und unter Buchwert gehandelt, legte zeitweise um 2,5 Prozent zu. Doch der Jubel ist verhalten. Denn trotz der gestiegenen Zahlen bleibt ein Makel: FlatexDegiro profitiert vor allem von der Unsicherheit. Bleibt diese aus – oder schaltet sich der Markt auf „Seitwärts“ – könnte das schnelle Wachstum ebenso schnell wieder erlahmen.
Zudem ist der Neobroker-Markt nach wie vor hart umkämpft. Anbieter wie Trade Republic, Scalable Capital oder internationale Plattformen wie eToro und Interactive Brokers erhöhen den Druck. Margen, die früher komfortabel waren, sind heute schmal.
Viele setzen längst auf Zero-Fees-Modelle oder alternative Einnahmequellen wie Payment for Order Flow – eine Praxis, die politisch zunehmend hinterfragt wird.
Kostenkontrolle statt Wachstumswahn
Der Kurswechsel bei FlatexDegiro ist daher nicht nur auf höhere Handelsvolumina zurückzuführen, sondern auch auf eine disziplinierte Kostenpolitik. In den vergangenen Quartalen hatte das Unternehmen seine Marketingausgaben deutlich reduziert und Prozesse gestrafft. Auch die technische Plattform wurde konsolidiert. Der Turnaround wirkt also nicht nur auf der Einnahmenseite.
Doch wie nachhaltig ist dieses Modell? Gerade bei privaten Anlegern hat sich seit der Pandemie viel verändert. Der Hype um Meme-Stocks ist vorbei, die Inflation nagt an den Sparraten, und viele junge Investoren sind vorsichtiger geworden. Das bedeutet: Der Kundenstamm wird wertvoller – aber auch anspruchsvoller.
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