27. Juli, 2025

Quartalszahlen

TRATON stottert – Gewinnwarnung, Absatzkrise, Kurseinbruch

Nach einem enttäuschenden Halbjahr senkt der Lkw-Hersteller seine Prognose deutlich. Probleme in Brasilien, ein abrutschender US-Markt und Europas Konjunkturschwäche setzen dem Nutzfahrzeugkonzern spürbar zu.

TRATON stottert – Gewinnwarnung, Absatzkrise, Kurseinbruch
Doppelte Bremsspur: Der Absatz könnte 2025 um bis zu 10 % einbrechen – noch im Frühjahr war TRATON von Wachstum ausgegangen.

Ungebremst in die Kurve

Der Donnerstagabend kam für Anleger wie ein Auffahrunfall: TRATON, die Lkw-Tochter des Volkswagen-Konzerns, kappte ihre Jahresziele. Binnen Minuten rutschte die Aktie zweistellig ab.

Noch am Freitagvormittag notierte das Papier bei knapp 31 Euro – über fünf Prozent unter Vortagesschluss. Die Börse reagiert allergisch, denn: Die Gewinnwarnung ist nicht kosmetischer Natur – sie ist ein Alarmsignal.

Quelle: Eulerpool

Ernüchterung nach dem ersten Halbjahr

Die Zahlen zum ersten Halbjahr 2025 sprechen für sich: Der Umsatz sank um 6 % auf 21,9 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis fiel sogar um ein Drittel auf 1,4 Milliarden Euro. Noch deutlicher wird die Erosion in der Marge: Nur noch 6,3 % operative Rendite – im Vorjahr waren es 9,1 %.

Quelle: Eulerpool

Schlimmer: Auch der Ausblick wurde einkassiert. Statt einer Absatzentwicklung zwischen minus 5 und plus 5 Prozent erwartet das Management jetzt im schlechtesten Fall ein Minus von zehn Prozent. Und selbst das neue Renditeziel – 6 bis 7 Prozent – liegt weit unter der bisherigen Prognose von bis zu 8,5 %.

Was bremst TRATON wirklich aus?

Die Liste der Probleme ist lang – und sie trifft nicht nur TRATON, sondern die gesamte Branche:

  • In Europa sorgt die konjunkturelle Schwäche für sinkende Transportmengen und entsprechend zurückhaltende Bestellungen bei Lkw-Herstellern.
  • In Nordamerika bricht laut TRATON die Nachfrage regelrecht ein – der dortige Truck-Zyklus kühlt schneller ab als erwartet.
  • In Brasilien leidet MAN Latin America, eine Tochtergesellschaft von TRATON, unter anhaltend schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Dazu kommen geopolitische Unsicherheiten, allen voran im internationalen Handel. Zollpolitik, Lieferketten und Subventionskonkurrenz verunsichern die Kunden. Die Investitionszurückhaltung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Absatzregionen.

Quelle: Eulerpool

Volkswagens stille Baustelle

TRATON galt lange als Hoffnungsträger innerhalb des VW-Konzerns – ein schlafender Riese mit skalierbarem Geschäft und wachsendem Margenpotenzial. MAN, Scania und Navistar sollten gemeinsam den globalen Nutzfahrzeugmarkt aufrollen.

Doch was auf dem Papier Sinn ergab, funktioniert in der Praxis bislang schleppend. Die Integration der Marken kostet Zeit und Geld. Die angestrebten Synergien – vor allem in der Plattformstrategie – bleiben hinter den Erwartungen zurück.

Und: Während Wettbewerber wie Volvo Trucks oder Daimler Truck teils agiler agieren und neue Softwaremodelle testen, wirkt TRATON in vielen Fragen zu schwerfällig.

Elefant im Raum: Brasilien

Eine besondere Schwachstelle bleibt Brasilien. Das Geschäft dort galt lange als margenstark und wachstumsorientiert – doch nun entwickelt es sich zur Bremsklotzregion. Die strukturellen Probleme – Inflation, politische Unsicherheit, Wechselkurseffekte – treffen ausgerechnet MAN Latin America besonders hart.

Der Marktanteil schmilzt, die Produktion steht unter Druck, und neue Investitionen lassen sich kaum rechtfertigen. TRATON müsste eigentlich reagieren – doch die Spielräume sind begrenzt.

Der Kapitalmarkt hat kein Mitleid

Für Investoren ist die Sache klar: Ein globaler Hersteller mit sinkendem Absatz, schrumpfender Marge und keiner überzeugenden Perspektive auf kurzfristige Verbesserung ist kein Kaufargument.

Der Aktienkurs spiegelt das wider. Vom Jahreshoch bei knapp 39 Euro hat sich das Papier weit entfernt – und die Marktkapitalisierung schrumpft entsprechend. Die Hoffnung auf eine mittelfristige Trendwende liegt nun bei den Analysten, die darauf setzen, dass TRATON seine Hausaufgaben beschleunigt erledigt.

Was jetzt passieren muss

TRATON braucht mehr als nur eine neue Prognose. Der Konzern muss operativ schneller werden – und strategisch klarer. Die Konzernintegration muss endlich liefern. Software- und Elektrifizierungsstrategien dürfen nicht länger nur auf den Präsentationsfolien existieren.

Und: Das Management muss die Investoren besser mitnehmen. Eine vage Mitteilung am Donnerstagabend reicht in Zeiten wie diesen nicht mehr aus. Der Kapitalmarkt will Antworten – und zwar keine defensiven.

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