24. Mai, 2025

Wirtschaft

Spanien enteilt Europa

Warum ausgerechnet der einstige Krisenstaat zum neuen wirtschaftlichen Vorbild wird – und was Deutschland jetzt lernen muss.

Spanien enteilt Europa
EU-Milliarden als Konjunkturmotor: 163 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds fließen nach Spanien – doch der Mittelabfluss stockt. Erst ein Drittel wurde bisher investiert.

Die spanische Wirtschaft wächst, während die großen Volkswirtschaften der Euro-Zone stagnieren. Spanien übertrifft Deutschland, Frankreich und Italien bei Weitem.

Das Bruttoinlandsprodukt legt 2025 voraussichtlich um 2,6 Prozent zu. Zum Vergleich: Für Deutschland rechnet die EU-Kommission mit einem Nullwachstum. Was läuft auf der Iberischen Halbinsel so grundlegend anders?

Die Stunde des einstigen Musterschülers

Noch vor einem Jahrzehnt galt Spanien als Inbegriff der europäischen Schuldenkrise. Heute ist das Land Vorbild. Die Reformerfolge sind greifbar.

Die Regierung investiert Milliarden in Infrastruktur, allein 2,4 Milliarden Euro fließen in den Ausbau des Madrider Flughafens. Während Deutschland über Genehmigungsverfahren streitet, entstehen in Spanien Terminals für den wirtschaftlichen Aufbruch.

Krisenresistenz durch Diversifizierung

Die spanische Wirtschaft wirkt immun gegen viele der Schocks, die andere Länder belasten. Spanien ist kaum vom russischen Energiemarkt abhängig und hat seit Jahren den Anteil erneuerbarer Energien massiv ausgebaut.

Der Handel mit Russland war selbst vor dem Krieg marginal. Stattdessen orientiert sich Spanien traditionell Richtung Mittel- und Südamerika – ein Vorteil in Zeiten geopolitischer Brüchigkeit.

EU-Gelder als Investitionsmotor

Ein weiterer Wachstumstreiber: Spanien ist größter Profiteur des EU-Wiederaufbaufonds. Von 163 Milliarden Euro, die dem Land zustehen, wurden bislang 49 Milliarden abgerufen.

Wachstum durch Zuwanderung: Über eine Million Lateinamerikaner leben inzwischen in Madrid – Integration gelingt, doch der Druck auf Wohnungsmarkt und Sozialsystem steigt.

Das restliche Geld fließt bis 2026 in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung. Die Brüsseler Milliarden sorgen für langfristige Investitionssicherheit – und befeuern die Konjunktur.

Migration als wirtschaftlicher Katalysator

Kaum ein europäisches Land integriert so viele Zuwanderer so reibungslos in den Arbeitsmarkt wie Spanien. 2022 kamen 730.000 Menschen, viele aus Südamerika.

In Madrid lebt inzwischen über eine Million Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln. Dank kultureller und sprachlicher Nähe funktioniert die Integration – mit positiven Effekten für den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme.

Ein unerwarteter Corona-Nutzen

In der Pandemie trat ein Effekt ein, der Spanien dauerhaft veränderte: Um staatliche Hilfen zu erhalten, mussten viele Arbeiter sich offiziell registrieren. 300.000 Menschen wechselten von der Schattenwirtschaft in die reguläre Beschäftigung. Steuer- und Sozialkasseneinnahmen stiegen, die Arbeitslosenquote sank.

Arbeitsmarktreformen zeigen Wirkung

Die Deregulierung der Arbeitsmärkte war schmerzhaft, aber erfolgreich. Flexibilisierte Verträge, reduzierte Unternehmenssteuern, schlankere Verwaltung – all das sind Ergebnisse der Agenda, die Spanien unter europäischem Druck nach der Eurokrise umsetzte. Heute zahlt sich das aus: Die Wirtschaft ist anpassungsfähiger, das Investitionsklima stabil.

Was Deutschland daraus lernen kann

Deutschland steckt fest. In der Bürokratie, in der Energiepolitik, im Arbeitsmarkt. Spanien zeigt, wie ein Reformstaat aussehen kann, der nicht an seiner Vergangenheit klebt.

Statt mit Stillstand reagierte die Regierung in Madrid auf Krisen mit Mut zu unpopulären Entscheidungen. Wer in Berlin nach Wachstumsimpulsen sucht, muss derzeit nach Madrid schauen.

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