Eine Wahl – und zwei entgegengesetzte Richtungen
Donald Trump posiert im Oval Office mit Karol Nawrocki, dem Präsidentschaftskandidaten der nationalkonservativen PiS. Es ist ein Bild mit politischem Gewicht – aber auch eines, das Brüssel und Berlin nervös macht.
Denn Nawrocki, bislang ein eher unbekannter Historiker, könnte am Sonntag zum Präsidenten Polens gewählt werden. Sollte das geschehen, würde Europa einen schwierigen Partner zurückbekommen – oder einen Gegner.
Der Amtsinhaber Andrzej Duda darf nicht erneut antreten. Sein designierter Nachfolger tritt mit exakt jener Rhetorik an, die Duda groß gemacht hat: nationalkonservativ, EU-skeptisch, populistisch. Und mit einem schwer erklärbaren Skandal im Gepäck.
Wohnungsskandal statt Wirtschaftsplan
Kaum war Nawrocki aus Washington zurück, holten ihn alte Geschichten ein: Eine fragwürdige Immobilienübertragung von einem behinderten Rentner, unklare Besitzverhältnisse, widersprüchliche Angaben.
Seit Tagen bestimmen die Schlagzeilen nicht außenpolitische Fragen oder wirtschaftliche Programme, sondern seine Rolle in diesem Fall – und die Frage, ob jemand, der angeblich für Anstand steht, selbst gegen einfachste moralische Standards verstoßen hat.
Der Gegenspieler: Trzaskowski mit Vorsprung – aber nicht sicher
Rafał Trzaskowski, Bürgermeister von Warschau und Kandidat der Bürgerplattform, liegt in den Umfragen vorn – aber nicht uneinholbar. In einer zweiten Runde könnte es knapp werden.

Die linken Wähler sind gespalten, die Rechtsextremen stark, die politische Polarisierung tief. Ein Drittel der Wählerschaft scheint offen für Protestkandidaten. Und der eigentliche Machtkampf findet nicht auf der Bühne, sondern in sozialen Netzwerken statt.
TikTok schlägt Tagesschau
Der Wahlkampf in Polen ist längst digital. Kandidaten setzen auf Clips, Emotion, Skandale – nicht auf Argumente. Programmatische Fragen wie die Rolle Polens in der EU, die Reform der Justiz oder die Haltung zur Abtreibung werden allenfalls gestreift. Der Ton ist aggressiv, das Lagerdenken zementiert.
Der Unternehmer und Influencer Krzysztof Stanowski verkörpert diesen Wandel wie kein anderer: Er ist gleichzeitig Präsidentschaftskandidat und Medienmacher, stellt Fragen – und bewirbt sich selbst.
Die klassische politische Öffentlichkeit verliert an Einfluss. Für ein Land mit angeschlagener Justiz und schwindendem institutionellem Vertrauen ist das keine beruhigende Entwicklung.
Eine Wahl, viele Folgen – auch für Berlin und Brüssel
Polen ist längst nicht mehr nur Juniorpartner im EU-Gefüge. Mit über vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ist das Land sicherheitspolitischer Musterschüler – und bei der Ukraine-Unterstützung ein Antreiber. Doch innenpolitisch hängt es fest.
Die Regierung unter Donald Tusk konnte nach dem Wahlsieg 2023 wenig umsetzen. Präsident Duda blockierte Reformen, etwa zur Wiederherstellung der Justizunabhängigkeit.
Sollte nun Nawrocki gewinnen, bliebe die politische Handlungsfähigkeit auch weiterhin eingeschränkt. Und Europa müsste sich auf vier weitere Jahre eines Präsidenten einstellen, der sich wie ein Parteisoldat verhält – und nicht wie ein Vermittler.
Was auf dem Spiel steht
Ein Präsident Nawrocki würde den Staatsumbau der PiS weiter absichern – notfalls über die Hintertür. Die Verfassungsrichter sind loyal, die Medienlandschaft in Teilen politisiert, und die PiS ist nach wie vor stärkste Einzelpartei im Parlament. Sollte Tusks Kandidat verlieren, sind Neuwahlen und eine Rückkehr der PiS an die Regierung nicht ausgeschlossen.
Für Europa wäre das ein Rückschritt. Vertragsverletzungsverfahren, Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit, Blockaden in Brüssel – all das hat man zwischen 2015 und 2023 erlebt. Es droht ein Déjà-vu.
Außenpolitisch geschlossen – aber intern gelähmt?
So paradox es klingt: In der Außenpolitik bleibt Polen berechenbar. Der Rückhalt für die Ukraine ist parteiübergreifend, das Misstrauen gegenüber Russland tief verankert. Doch ein Land, das innenpolitisch blockiert ist, kann außenpolitisch kaum führen.
Das zeigte sich zuletzt bei der gemeinsamen Reise von Friedrich Merz, Emmanuel Macron, Keir Starmer und Donald Tusk nach Kiew. Mit einem Präsidenten Nawrocki wären solche Bilder schwer vorstellbar.
Letzte Runde für ein altes Duell?
Mit Trzaskowski tritt eine neue Generation in den Vordergrund. Er steht für ein Polen, das sich in Europa verortet, nicht daneben. Für ein Land, das Institutionen wieder aufbauen will, nicht abbauen. Und für eine politische Kultur, die auf Kompromiss setzt – nicht auf Polarisierung. Es könnte das letzte Kapitel im politischen Duell der alten Rivalen Tusk und Kaczyński werden. Doch noch ist offen, wie es endet.
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