27. Juli, 2025

Quartalszahlen

Gewinnmarge stabil, Aktie im Sturzflug – warum Anleger ATOSS abstrafen

Trotz solider Zahlen und bestätigter Prognose verliert der Münchner Softwarekonzern fast neun Prozent an Börsenwert. Die Investoren schauen weniger auf die Marge – und mehr auf die trübe Auftragslage.

Gewinnmarge stabil, Aktie im Sturzflug – warum Anleger ATOSS abstrafen
Trotz 34 % Ebit-Marge straft der Markt ATOSS ab – die Aktie verliert fast 9 %, weil der Auftragseingang spürbar unter dem Vorjahr liegt.

Stabile Zahlen, bröckelndes Vertrauen

Ein Umsatzplus von neun Prozent, eine Ebit-Marge von 34 Prozent und ein bestätigter Jahresausblick – eigentlich liefert ATOSS Software zum Halbjahr keine schlechten Zahlen. Und doch reagiert der Markt mit einer schallenden Ohrfeige: Die Aktie verliert am Donnerstag fast neun Prozent und notiert damit wieder auf Mai-Niveau.

Quelle: Eulerpool

Was auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt, hat bei näherem Hinsehen einen klaren Auslöser: den schwachen Auftragseingang. Während Umsatz und Marge solide bleiben, fehlt es an neuem Schwung. Die Unsicherheit der Kunden ist spürbar – und in einem wachstumsverwöhnten Marktsegment reicht das, um Misstrauen auszulösen.

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Auftragsflaute trotz Fachkräftemangel

ATOSS ist spezialisiert auf Personalmanagement-Software – vor allem zur digitalen Zeiterfassung, Personaleinsatzplanung und vorausschauenden Schichtplanung. Angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels ist der adressierte Markt eigentlich intakt.

Doch selbst hier hinterlässt die Konjunkturflaute Spuren: Unternehmen halten sich bei IT-Budgets zurück, Projekte werden verschoben, Entscheidungszyklen verlängern sich.

Quelle: Eulerpool

Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur bei ATOSS. Auch der Personaldienstleister Amadeus Fire hat jüngst seine Jahresprognose eingedampft – aus demselben Grund: Die Zurückhaltung der Unternehmen bei Neueinstellungen und Investitionen. Die Branche steht insgesamt unter Druck, selbst wenn einzelne Anbieter technologisch führend sind.

Marge über Ziel – doch Analysten bleiben skeptisch

Dass ATOSS im zweiten Quartal eine operative Marge von 34 Prozent erzielt hat – und damit das selbst gesteckte Jahresziel von mindestens 31 Prozent locker übertrifft –, wird am Markt kaum honoriert.

Analyst Henrik Paganetty von Jefferies verweist in seiner Einschätzung auf zwei Dinge: Erstens lagen Umsatz und Ergebnis leicht unter seinen Erwartungen. Zweitens sei der Auftragseingang „spürbar schwächer“ – ein Warnsignal für das zweite Halbjahr.

Quelle: Eulerpool

Genau das sorgt für Unruhe: Die Bewertung von ATOSS ist ambitioniert. Und in einem Umfeld, das auf Sicht fährt, werden Rückgänge in der Pipeline nicht ignoriert – selbst wenn sie (noch) keine dramatischen Folgen in den Quartalszahlen haben.

Investitionen trotz Gegenwind

Die Unternehmensführung bleibt unbeirrt und hält an der Jahresprognose fest. Für 2025 plant ATOSS mit einem Umsatz von rund 190 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr wurden bereits knapp 91 Millionen erzielt – rechnerisch also im Plan.

Für das zweite Halbjahr kündigt das Unternehmen zudem weitere Investitionen an, insbesondere im Vertrieb. Das mag operativ sinnvoll sein – doch es schmälert kurzfristig die Fantasie auf steigende Margen.

Und genau das ist das Problem: Solange keine frischen Impulse kommen, reagieren Anleger nervös auf alles, was nach Bremswirkung aussieht. Investitionen, so vernünftig sie langfristig sein mögen, erhöhen vorerst den Druck auf die Marge.

Ein Rücksetzer – aber kein Einbruch

So heftig der Tagesverlust auch ist – im Jahresverlauf steht die ATOSS-Aktie trotz allem noch bei rund +11 %. Der aktuelle Dämpfer könnte sich für langfristige Investoren als gesunde Korrektur erweisen – oder als Vorbote einer tieferen Vertrauenskrise, falls die Auftragseingänge weiter nachgeben.

Denn so sehr ATOSS auch an seiner Prognose festhält – das Marktumfeld spricht derzeit eine andere Sprache. Die Konjunktur in Deutschland stagniert, Investitionsentscheidungen verzögern sich, und in den Chefetagen herrscht Vorsicht. Solide Kennzahlen reichen da manchmal nicht aus. Gefragt ist neue Wachstumsdynamik – und die lässt sich nicht mit guten Absichten erzeugen.

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