23. Mai, 2025

Wirtschaft

Null Wachstum, null Vertrauen? Warum die Wirtschaftsweisen Alarm schlagen

Die Konjunktur in Deutschland tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der viele auf Erholung gehofft hatten. Die Wirtschaftsweisen sehen strukturelle Probleme, äußere Risiken und einen Reformstau. Hoffnung gibt ihnen ausgerechnet ein schuldenfinanziertes Vorhaben.

Null Wachstum, null Vertrauen? Warum die Wirtschaftsweisen Alarm schlagen
Die Wirtschaftsweisen rechnen für 2025 mit 0,0 % BIP-Wachstum – ein klares Signal, dass die deutsche Volkswirtschaft feststeckt. Schon 2023 schrumpfte sie real um 0,3 %.

Die Zahl ist kein Versehen

0,0 Prozent. Keine Nullrunde beim Lohn, keine Preisstabilität – sondern: Nullwachstum für die deutsche Wirtschaft. Das ist das zentrale Ergebnis des Frühjahrsgutachtens der Wirtschaftsweisen. Statt der noch im Herbst prognostizierten 0,4 Prozent Wachstum gibt es jetzt: nichts. Weder Aufschwung noch Rückgang. Eine Volkswirtschaft im Stand-by-Modus.

Sachverständigenrat Wirtschaft
Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Bürokratie, Zölle, Unsicherheit

Die fünf Mitglieder des Sachverständigenrats lassen keinen Zweifel: Die Ursachen für die Flaute liegen nicht nur im Ausland. Zwar verweist das Gutachten auf die neuen US-Zölle und die Handelspolitik von Donald Trump, die den Export zusätzlich belasten könnten.

Doch die eigentlichen Probleme kommen von innen: zu viel Bürokratie, zu langsame Genehmigungsverfahren, zu wenig Dynamik bei zentralen Zukunftsthemen wie Digitalisierung, KI und dem Umbau der Energieversorgung.

„Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter in einer ausgeprägten Schwächephase“, heißt es im Gutachten.

Übersetzt: Es läuft nicht – und zwar seit Jahren.

Investitionspaket als Hoffnungsschimmer

Und trotzdem: Die Wirtschaftsweisen sehen einen möglichen Wendepunkt. Hoffnung macht ihnen das Investitionspaket der Bundesregierung. Zwar werde es in diesem Jahr noch keine Effekte zeigen, aber ab 2026 könnten davon spürbare Impulse für Bau, Konsum und Industrie ausgehen.

Allerdings knüpfen die Experten das klar an Bedingungen. Entscheidend sei, wie die Mittel eingesetzt werden – und ob es gelingt, langfristig neue Investitionen auszulösen, statt bloß kurzfristig Staatsausgaben hochzufahren.

Altlasten bremsen den Aufbruch

Denn das Grundproblem bleibt: Deutschland ist wirtschaftlich träge geworden. Und das nicht erst seit gestern. Viele Unternehmen klagen seit Jahren über lähmende Verfahren, regulatorischen Wildwuchs und eine Politik, die lieber verwaltet als gestaltet. Der Standort ist nicht unattraktiv – aber er glänzt auch nicht mehr.

Laut Gutachten zählen überlange Genehmigungsverfahren und regulatorische Komplexität zu den Hauptgründen für den schleppenden Wirtschaftsverlauf. Deutschland verliert dadurch Investitionen – auch im internationalen Vergleich.

Dazu kommen strukturelle Herausforderungen: die alternde Gesellschaft, Fachkräftemangel, die schleppende Energiewende. Und nun auch noch ein geopolitisches Risiko durch mögliche Zölle der USA. Für eine exportorientierte Wirtschaft ist das eine gefährliche Mischung.

Kein Alarmismus, aber ein Warnsignal

Die Wirtschaftsweisen schlagen nicht die Hände über dem Kopf zusammen. Aber sie senden ein klares Signal an die Politik: Es ist fünf vor zwölf. Die Regierung muss Tempo machen. Weniger Ankündigungen, mehr Umsetzung. Weniger Klein-Klein, mehr Strukturreformen. Weniger Symbolpolitik, mehr Substanz.

Denn selbst wenn ein Wachstum von null Prozent noch keine Rezession ist – psychologisch ist es genau das. Wer nichts bewegt, wird zurückgelassen.

Es liegt jetzt an der Politik

Das Gutachten der Wirtschaftsweisen ist kein Abgesang, sondern eine Einladung. Deutschland hat nach wie vor alle Voraussetzungen, sich aus der Lethargie zu befreien: Know-how, Kapital, Arbeitskräfte, Technologie. Was fehlt, ist der politische Wille, die Bremsen zu lösen.

Vielleicht hilft der Schock, den die Prognose ausgelöst hat, ja dabei, genau das zu tun.

Das könnte Sie auch interessieren:

Rio Tinto greift nach Chiles Schatz
Mit einem milliardenschweren Deal steigt der Rohstoffriese Rio Tinto ins lukrative Lithiumgeschäft ein – mitten im Salar de Maricunga, einem der weltweit reichsten Solevorkommen. Warum das Joint Venture mit dem chilenischen Staatskonzern Codelco mehr ist als ein Zukunftsversprechen.