Als Stellantis-Chef Carlos Tavares im Frühjahr seinen Stuhl räumen musste, hatte der Konzern schon ein massives Problem. Nun liegt es offen auf dem Tisch: Ein Nettoverlust von 2,3 Milliarden Euro im ersten Halbjahr – nach einem Gewinn von 5,6 Milliarden im Vorjahr.

Der europäisch-amerikanische Automulti verliert rapide an Höhe, wirtschaftlich wie strategisch. Besonders bitter: Nicht nur Sondereffekte, auch das Tagesgeschäft bröckelt.
Ein dramatischer Einbruch
Die neue Gewinnwarnung kommt nicht aus dem Nichts – dennoch erschütterte sie am Montag Anleger und Analysten gleichermaßen. Nur 0,5 Milliarden Euro operativer Gewinn (bereinigt um Sondereffekte) stehen in den Büchern – ein Rückgang von über 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert von 8,5 Milliarden Euro.
Der Umsatz fiel parallel um über 10 Milliarden Euro auf 74,3 Milliarden Euro. Im zweiten Quartal sackten die Auslieferungen um 6 Prozent auf 1,4 Millionen Fahrzeuge, im Halbjahr summiert sich das Minus auf 7 Prozent.
Besonders Nordamerika, einst das renditestarke Herzstück der Gruppe, schwächelt: Große SUV und Pick-ups, lange Zeit Verkaufsschlager von Marken wie Jeep, Dodge und RAM, lassen sich in der aktuellen Konjunkturlage offenbar nur schwer vermarkten – auch wegen gestiegener Preise und wachsender Konkurrenz aus Asien.
Sonderlasten und strategische Altlasten
Auf die Nachfragekrise obendrauf kommt ein Berg an Sonderkosten: 3,3 Milliarden Euro verbuchte der Konzern für abgebrochene Entwicklungsprogramme, Abschreibungen auf technische Plattformen und Restrukturierungen. Der Umbau der Plattformen hin zur Elektromobilität, jahrelang aufgeschoben, wird nun mit Nachdruck angegangen – aber teuer.
Hinzu kamen Währungsverluste und eine neue Belastung, die CEO Tavares in seiner Amtszeit bereits hatte kommen sehen: US-Zölle. 300 Millionen Euro kosteten die neuen Importabgaben allein im ersten Halbjahr.
Ein politischer Druck, der sich durch Trumps protektionistische Handelspolitik weiter zuspitzen dürfte – und die Kostenstrukturen europäischer Autobauer in den USA dauerhaft belastet.
Strategische Orientierungslosigkeit
Dass Stellantis im April seine Jahresprognose vollständig einkassierte, war ein erstes Alarmsignal. Dass nun nicht einmal ein konkreter Ausblick geliefert wird, zeigt, wie tief die Unsicherheit sitzt. Mit Opel, Peugeot, Citroën, Fiat, Chrysler, Maserati, Alfa Romeo, Dodge und weiteren Marken wirkt der Konzern wie ein Museum historischer Marken – aber ohne klare Vision, was daraus werden soll.
Interne Quellen berichten von Spannungen zwischen den europäischen und nordamerikanischen Markenchefs, dazu stockt die Plattformintegration. Selbst im wichtigen E-Auto-Segment hinkt Stellantis der Konkurrenz von Tesla, BYD und Hyundai weiter hinterher – nicht nur technologisch, sondern auch bei Absatz und Profitabilität.
Maserati vor dem Ausverkauf?
Ein Verkauf der Luxusmarke Maserati steht offenbar zur Diskussion. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete Anfang Juli über Überlegungen im Konzernvorstand, sich von dem defizitären Edel-Ableger zu trennen.
Insider vermuten, dass dies nur der Auftakt einer größeren Portfolio-Verschlankung sein könnte. Ein konsequenter Schnitt, sagen die einen. Eine Notveräußerung, sagen die anderen.
Anleger verlieren das Vertrauen
Die Aktie von Stellantis reagierte prompt: ein Kursverlust von über 6 Prozent noch am Tag der Mitteilung. Analysten zeigen sich besorgt – nicht nur wegen der Zahlen, sondern wegen der Führung.
Der neue CEO, bisheriger Finanzvorstand, muss nun nicht nur das operative Ruder übernehmen, sondern auch strategisch liefern. Eine Aufgabe, die angesichts des tiefen Umbaus kaum in einem halben Jahr zu bewältigen ist.
Der Lack ist ab
Was 2021 als globales Fusionsversprechen zwischen Fiat Chrysler und PSA Peugeot Citroën begann, droht zur wirtschaftlichen Bruchlandung zu werden. Der Konzern hat zu viele Marken, zu viele Plattformen, zu wenig Klarheit – und nun auch zu wenig Vertrauen am Kapitalmarkt.
Wenn sich in der zweiten Jahreshälfte keine deutliche Trendwende abzeichnet, droht Stellantis nicht nur ein weiteres schwaches Jahr. Sondern ein strategisches Desaster.
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