Ein historisches Urteil steht im Raum: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) berät über die Verantwortung von Staaten im Klimaschutz und dessen Verknüpfung mit Menschenrechten. In Straßburg werden Urteile zu Klagen aus Portugal, der Schweiz und Frankreich erwartet, die weichenstellend für Europas Rechtsprechung und Politik sein könnten.
Im Fokus stehen dabei junge Portugiesen, die 32 Nationen, darunter Deutschland, für die Verschärfung der Klimakrise und die damit verbundene Gefährdung künftiger Generationen zur Rechenschaft ziehen möchten. Ihr Anliegen, unterstützt durch verheerende Brände in Portugal, könnte die europäischen Staaten zu ambitionierteren Klimaschutzmaßnahmen veranlassen.
Ältere Damen aus der Schweiz, initiiert durch Greenpeace, fordern ihrerseits strengere Maßnahmen gegen Treibhausgase und berufen sich auf ihr Recht auf Leben sowie Privat- und Familienleben. Auch der dritte Fall, eingebracht von einem ehemaligen französischen Bürgermeister, spiegelt die Dringlichkeit des Themas wider und fokussiert auf unzureichende Maßnahmen Frankreichs gegen den Klimawandel.
Die Gerichtsverfahren sind in mehrerlei Hinsicht besonders: Erstmals verhandelte der EGMR eine Klage zum Klimawandel und zeigte Aufmerksamkeit für die globalen Herausforderungen. Sichtbar ist auch die beachtliche Dimension des Prozesses: Allein für die angeklagten Staaten zählte man 80 Anwälte. Eine mögliche Signalwirkung wird durch die Anwesenheit prominenter Umweltaktivisten wie Greta Thunberg unterstrichen.
Den Schutz der Menschenrechte durchzusetzen ist das Mandat des EGMR. Sollte das Gericht entscheiden, könnten die Urteile – selbst wenn sie sich direkt nur auf ein Land beziehen – indirekte Implikationen für alle Mitgliedstaaten, wie auch Deutschland, haben. Konkret könnte dies bedeuten, dass die Verringerung der Treibhausgase als Menschenrechtsaufgabe gesehen wird und mehr darauf geachtet wird, die Bedingungen des Pariser Klimaübereinkommens einzuhalten.
Die Klagen wurden trotz der üblichen Erwartung, dass diese an den nationalen Instanzen gescheitert wären, vom EGMR an die Große Kammer weitergeleitet - ein Zeichen, dass den Fällen eine außergewöhnliche Signifikanz beigemessen wird. Die Kläger, unverändert entschlossen im Kampf um Klimagerechtigkeit, warten gespannt auf die Urteile, die über die unmittelbare persönliche Betroffenheit durch Klimafolgen urteilen werden.