In der Seefahrt braut sich ein Sturm heran, der die ambitionierten Klimaziele der Europäischen Union bis zum Jahr 2050 erreichen soll. Ein klimaneutraler Schiffsverkehr ist das erklärte Ziel, doch die Realisierung dieser Vision wird vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) stark angezweifelt. Der Institutsleiter Burkhard Lemper, zugleich Professor an der Hochschule Bremen, zeichnet ein düsteres Bild der aktuellen Situation: "Angesichts des gegenwärtigen Einsatzes an alternativen Kraftstoffen und den langen Lebenszyklen von Schiffen ist die Zielvorgabe kaum zu erreichen."
Die derzeitige Weltflotte und die Schiffe, die sich momentan im Bau befinden, sind maßgeblich auf fossile Brennstoffe wie Schweröl oder Diesel ausgerichtet. Ein Umstieg auf flüssiges Erdgas (LNG), der bei vielen Reedereien im Fokus steht, wird vom ISL kritisch betrachtet. LNG ist zwar eine Alternative, aber dennoch ein fossiler Brennstoff, der sich negativ auf das Klima auswirken kann.
Anlässlich des 6. Bremer Kongresses für Nachhaltigkeit in der Schifffahrt, der die Branche über zukunftsfähige Brennstoffe berät, mahnt der ISL-Geschäftsführer zu umfassenden Investitionen in alternative Antriebsformen. Er sieht den Schlüssel zur Klimaneutralität in einem Portfolio aus verschiedenen grünen Kraftstoffen, darunter Ammoniak, Methanol und E-Fuels. Der direkte Einsatz von Wasserstoff scheint hierbei eher eine Nebenrolle zu spielen.
Die Umstellung auf Landstromversorgung bis 2030, wie von der EU für wichtige Häfen vorgesehen, stößt ebenfalls auf Bedenken Lempers. Dies könne nur einen wirklichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn der Strom durch regenerative Quellen wie Sonne oder Wind erzeugt wird – eine Infrastruktur, die momentan noch in den Kinderschuhen steckt.
Lemper appelliert an die Politik, finanzielle und regulatorische Weichen zu stellen, um die hochgesteckten Ziele erreichen zu können. Da weder erneuerbare Energieströme noch grüne Treibstoffe in naher Zukunft in adäquaten Mengen zur Verfügung stünden, müsse zunächst auf Treibstoffeinsparung gesetzt werden, etwa durch Geschwindigkeitsreduktion, hydrodynamische Verbesserungen und Windantriebssysteme. Luftschadstoffreduktion in Hafengebieten sei zudem ein entscheidender Teil der Lösung.
Fokus auf Nachhaltigkeit, doch ohne soliden Plan bleibt die Vision der klimaneutralen Seefahrt möglicherweise auf hoher See. Der Kongress wird zeigen, ob sich neue Kursrichtungen für die Branche abzeichnen.