Einbruch auf mehreren Fronten
Die SGL Carbon SE steckt tief in der Transformation – und gleichzeitig in einer Flaute. Der Wiesbadener Werkstoffhersteller, einstiger Hoffnungsträger für Elektromobilität und Chipindustrie, hat ein bitteres Halbjahr hinter sich.

Der Umsatz schrumpfte im ersten Halbjahr 2025 um 16 Prozent auf nur noch 453 Millionen Euro. Ebenso deutlich sackte das operative Ergebnis (Ebitda) ab – von einst 86,3 auf nun 72,5 Millionen Euro. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie ernüchternd.
Die Halbleiterindustrie hat die Bestellung storniert
Herzstück der Misere ist der Einbruch bei Graphitkomponenten für die Chipindustrie. In diesem Segment war SGL lange als verlässlicher Zulieferer für Spezialbauteile gefragt.
Doch mit der Normalisierung der Halbleiternachfrage nach dem Boom der Corona-Jahre brechen die Aufträge dramatisch ein. Die Nachfrage ist nicht nur gesunken – sie ist nahezu eingebrochen.
Die Auftragsbücher in diesem Kernbereich bleiben auffällig dünn. Für ein Unternehmen, das einen Großteil seines Geschäfts auf diese Industrie ausgerichtet hat, ist das mehr als nur eine Delle – es ist eine strukturelle Krise.
Karbonfaser: Vom Zukunftsprojekt zum Restrukturierungsfall
Gleichzeitig muss das Management eingestehen, dass das zweite große Versprechen der vergangenen Jahre – ultraleichte Karosserien für Elektroautos aus Karbonfasern – sich wirtschaftlich nicht trägt.
Die Idee: Karbon sollte Stahl im Leichtbau ersetzen, um Reichweite und Effizienz der E-Mobilität zu steigern. Doch die Automobilbranche denkt längst anders: Aluminium und optimierter Stahl sind günstiger, einfacher zu recyceln – und: sie sind verfügbar.
SGL zieht nun die Reißleine. Der Karbonfaserbereich wird zurechtgestutzt, die unprofitablen Einheiten stillgelegt. Das Unternehmen spricht von einem „Fokus auf den profitablen Kern“. Übersetzt: Die großen Träume sind geplatzt – und zurück bleibt ein auf Rendite getrimmter Restbetrieb.
Neue Prognose – wenig Spielraum für Euphorie
Auch beim Blick aufs Gesamtjahr wird klar: Das Management stellt sich auf eine längere Durststrecke ein. Die Umsatzprognose wird gesenkt – von maximal -10 Prozent auf nun -10 bis -15 Prozent.
Immerhin: Beim bereinigten Ebitda hält man sich an den bisherigen Zielkorridor von 130 bis 150 Millionen Euro. Doch auch hier ist Vorsicht geboten.
Der operative Gewinn wird nur dann gehalten, wenn die Restrukturierung der Karbonfaser-Sparte wie geplant greift – und keine weiteren Einbrüche aus der Halbleiterindustrie folgen.
SGL: Ein Unternehmen im Umbau – aber wohin?
Die Geschichte von SGL ist derzeit vor allem eine der Kurskorrekturen. Was bleibt, ist ein Konzern, der sich im harten Wettbewerb neu definieren muss: als Nischenanbieter von Hochleistungs-Graphit mit gestrafftem Portfolio. Der große Wurf – sei es in der Chipindustrie oder im automobilen Leichtbau – bleibt vorerst aus.
Der Kapitalmarkt dürfte diese Entwicklung mit Argwohn verfolgen. Anleger müssen sich die Frage stellen, ob SGL genug Fantasie für die Zukunft bietet – oder ob das Unternehmen nach den enttäuschten Visionen der letzten Jahre auf Dauer in die zweite Reihe der Industrie zurückfällt.
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