15. Juli, 2025

Quartalszahlen

Gewinn schmilzt, Umsatz glänzt – Was bei Müller wirklich los ist

Steigende Kosten drücken den Gewinn der Drogeriekette Müller – obwohl der Umsatz auf ein Allzeithoch steigt. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Das Erfolgsmodell gerät zunehmend unter Druck.

Gewinn schmilzt, Umsatz glänzt – Was bei Müller wirklich los ist
Trotz 5 Milliarden Euro Umsatz schrumpfte der Jahresüberschuss bei Müller auf 185,1 Millionen Euro. Die genaue Vorjahreszahl bleibt das Unternehmen schuldig – ein seltenes Maß an Intransparenz.

Umsatz auf Rekord, Gewinn im Sinkflug

Die Zahlen wirken auf den ersten Blick widersprüchlich – und doch beschreiben sie präzise die Lage der Ulmer Drogeriemarktkette Müller: Mit einem Jahresumsatz von über 5 Milliarden Euro hat das Unternehmen 2023/24 so viel erlöst wie nie zuvor.

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Doch unter dem Strich bleibt davon immer weniger übrig. Der Jahresgewinn schrumpfte auf 185,1 Millionen Euro – ein Rückgang, dessen Ausmaß das Unternehmen selbst nicht beziffern will.

Auf Anfrage der InvestmentWeek blieb Müller eine Vergleichszahl schuldig. Der Verdacht liegt nahe: Der Rückgang ist gravierender, als man öffentlich zugeben möchte.

Kostendruck auf allen Ebenen

Was das Ergebnis drückt, ist kein Betriebsunfall – sondern eine Gemengelage struktureller Herausforderungen: Steigende Mieten, wachsende Personalkosten, deutlich teurere Beschaffung.

Vor allem die gestiegenen Energie- und Logistikpreise sowie die angespannte Lage im internationalen Warenhandel machen dem Konzern zu schaffen. Auch der zunehmende Wettbewerb um Arbeitskräfte im Einzelhandel hinterlässt Spuren.

Müller, das sich traditionell mit hohen Filialdichten und großzügigen Verkaufsflächen von der Konkurrenz abhebt, spürt die gestiegenen Quadratmeterkosten besonders deutlich.

Mehr Umsatz, weniger Marge

Der Umsatzanstieg um 8,3 % ist nominal beeindruckend – doch bei näherem Hinsehen relativiert sich das Bild. Ein erheblicher Teil des Wachstums dürfte inflationsgetrieben sein.

Während dm und Rossmann ihre Digitalstrategie konsequent ausrollen, hinkt Müller hinterher. Der E-Commerce-Anteil bleibt gering – trotz wachsender Kundennachfrage nach bequemen Online-Bestellungen.

Die tatsächliche Mengenausweitung bleibt unklar. Auch bleibt offen, ob Müller durch höhere Preise schlicht kompensiert hat, was auf der Kostenseite wegbrach. Die Margen jedenfalls sind unter Druck – und das bei einem Geschäftsmodell, das auf Massengeschäft, enge Kalkulation und hohe Drehzahlen angewiesen ist.

Verlorenes Terrain im Online-Handel

Während dm und Rossmann ihre Onlineangebote massiv ausbauen, hinkt Müller beim digitalen Vertrieb seit Jahren hinterher. Zwar gibt es mittlerweile eine eigene Online-Plattform, doch der Marktanteil im E-Commerce ist bescheiden.

Hinzu kommt: Der stationäre Handel, auf den Müller nach wie vor stark setzt, leidet unter sinkender Frequenz in den Innenstädten. Besonders ländliche Filialen, die lange als Stärke galten, geraten zunehmend in die Verlustzone.

Investitionen in die Fläche – Chance oder Risiko?

Die Strategie des Unternehmens: Expansion trotz Gegenwind. In den vergangenen Jahren hat Müller sein Filialnetz kontinuierlich ausgebaut – auch international, vor allem in Österreich, der Schweiz und osteuropäischen Märkten wie Kroatien oder Ungarn.

Doch gerade in diesen Ländern sind die Konsummärkte stark von Inflation und Währungseffekten betroffen. Dass Müller dort weiter expandiert, zeugt von Mut – oder von der Notwendigkeit, sich neue Märkte zu erschließen, weil der deutsche Markt kaum noch Wachstumschancen bietet.

Ein Familienunternehmen mit begrenzter Transparenz

Die Drogeriemarktkette Müller gehört zu den letzten großen inhabergeführten Handelsunternehmen Deutschlands. Unternehmensgründer Erwin Müller, mittlerweile 91 Jahre alt, hält laut Firmenangaben nach wie vor das Steuer fest in der Hand.


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Über strategische Entscheidungen gibt es kaum öffentliche Informationen. Müller selbst ist presseöffentlichkeitsscheu, Interviews sind selten, Transparenz begrenzt.

Auch beim aktuellen Jahresabschluss bleibt vieles vage – etwa, wie sich der Gewinnrückgang im Vergleich zum Vorjahr konkret darstellt oder wie hoch der Anteil des Onlinegeschäfts inzwischen ist.

Wettbewerb verschärft sich – auch politisch

Zugleich wächst der Druck von außen: Rossmann und dm haben in den letzten Jahren massiv in Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit investiert. dm etwa betreibt eine eigene App mit Kundenbindungsprogramm, Rossmann setzt auf Self-Checkout und digitale Einkaufsservices.

Müller hingegen setzt weiter auf klassische Handelsformate – was zunehmend antiquiert wirkt. Auch in Sachen Nachhaltigkeit kommt das Unternehmen langsamer voran als die Konkurrenz.

In einer Branche, in der sich zunehmend politischer und gesellschaftlicher Druck entlädt – etwa bei der Diskussion um Mikroplastik, Tierversuche oder CO₂-Emissionen – ist das ein strategisches Risiko.

Zu groß, zu analog, zu leise?

Die strategische Frage lautet: Kann Müller mit seinem traditionell stationären, eher konservativen Ansatz in einem dynamischeren, technologiegetriebenen Wettbewerbsumfeld bestehen?

Das Unternehmen operiert auf hohem Niveau – aber ohne erkennbare Disruption, ohne digitale Wachstumsfantasie und ohne klare öffentliche Kommunikation. Die drohende Folge: Stillstand durch Stabilität.

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