in Umsatzplus von 15,7 Prozent klingt auf dem Papier eindrucksvoll – doch hinter der glänzenden Fassade des Düsseldorfer Spezialverpackungsherstellers Gerresheimer bröckelt es.
Der Anstieg auf 1,12 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2025 verdankt sich vor allem einem strategischen Zukauf. Organisch betrachtet, also ohne akquisitionsbedingte Effekte, sieht die Realität weniger erfreulich aus: Der Umsatz ging um 2,1 Prozent zurück, das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) fiel um 6,4 Prozent.
Zukäufe statt Wachstum – eine kosmetische Lösung
Die Zahlen zeigen: Gerresheimer kauft Wachstum hinzu, um die schwache Entwicklung im Stammgeschäft zu kaschieren. Ein bewährtes Mittel, das in Investorenkreisen gut ankommt – zumindest kurzfristig.
Doch unter der Oberfläche leidet das Unternehmen unter der Konjunkturabkühlung in wichtigen Abnehmerbranchen. Vor allem die Kosmetikindustrie zeigt sich verhalten: Geringere Konsumausgaben und übervolle Lager bremsen den Bedarf nach hochwertigen Glas- und Kunststoffverpackungen.
Zudem schwächelt ein weiterer bislang zuverlässiger Wachstumstreiber: Die Nachfrage nach Verpackungslösungen für flüssige orale Medikamente ist laut Konzernchef Dietmar Siemsen vorübergehend eingebrochen.
Ob es sich wirklich nur um eine temporäre Delle handelt, bleibt abzuwarten. Der Markt für flüssige Medikamente unterliegt teils saisonalen Schwankungen, aber auch regulatorischen Hürden, die den Absatz belasten können.
Pharma zieht – Kosmetik bremst
Gerresheimer verdient sein Geld vor allem mit Spezialverpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie. Dabei galt der Pharmasektor lange als zuverlässiger Wachstumsmotor.
Doch zuletzt zeigte sich, dass selbst hier kein Selbstläufer mehr garantiert ist. Neue gesetzliche Anforderungen, Preisregulierungen und sich verändernde Therapieformen erhöhen den Druck auf die Margen.
Siemsen betont, dass das Unternehmen im zweiten Quartal bereits wieder organisch gewachsen sei – allerdings bleibt das Wachstum hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Seine Prognose: Im zweiten Halbjahr soll es besser laufen. Derartige Aussagen klingen vertraut – sie lassen sich in nahezu jedem Quartalsbericht börsennotierter Unternehmen finden. Die Frage ist: Wie belastbar sind sie?
Private Equity: Chancen oder Gefahr für den Mittelständler?
Parallel zur operativen Entwicklung mehren sich Hinweise, dass Finanzinvestoren Interesse an Gerresheimer zeigen. Das Unternehmen ist wegen seiner stabilen Cashflows und seiner Nischenposition im Verpackungsmarkt ein potenzieller Übernahmekandidat.
Eine Übernahme durch Private-Equity-Gesellschaften könnte kurzfristig Aktionären nutzen – birgt aber auch Risiken. Kürzungen, Spartenverkäufe und steigender Verschuldungsdruck sind typische Folgen solcher Transaktionen.
Gerresheimer hatte sich in der Vergangenheit stark auf die Automatisierung und Digitalisierung seiner Produktion fokussiert – insbesondere im Werk in Nordamerika. Solche Investitionen sprechen zwar für langfristige Strategien, könnten aber im Falle eines Buy-outs unter Kostendruck geraten. Die Gefahr: Ein kurzfristig renditegetriebener Umbau könnte den industriellen Kern aushöhlen.
Zweischneidige Strategie in unsicherem Umfeld
Der jüngste Zukauf, der für den sprunghaften Umsatzanstieg verantwortlich ist, wurde vom Markt wohlwollend aufgenommen. Doch ohne organische Dynamik bleibt das Risiko bestehen, dass Gerresheimer in eine Zukaufsspirale gerät – bei der die tatsächliche Geschäftsentwicklung hinter der bilanziellen Kosmetik verschwindet.
Gerresheimer steht damit stellvertretend für viele mittelgroße deutsche Unternehmen, die sich zwischen Transformation, Konsolidierung und Übernahmeinteresse behaupten müssen. Der Markt verzeiht derzeit wenig – Wachstum muss entweder gekauft oder durch Innovation hart erarbeitet werden. Beides kostet.
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