Montage statt Export: Was bleibt vom freien Handel?
Noch vor wenigen Monaten gingen bei Skylotec in Neuwied die Kisten voll bestückt auf die Reise: Absturzsicherungen, Karabiner, Gurte – alles vormontiert, direkt aus Deutschland in die USA.
Heute wird vieles davon in Denver manuell zusammengebaut. Die Einzelteile reisen günstiger. Fertigprodukte enthalten Aluminium – und Aluminium bedeutet Strafzoll. 25 Prozent, sofort fällig beim Import. Abgebucht vom US-Geschäftskonto. Ohne Vorwarnung.
So beginnt der Alltag in der neuen Welt des Außenhandels. Und so versucht ein deutsches Nischenunternehmen, einem politischen System zu entkommen, das sich immer weniger an Berechenbarkeit orientiert.
Ein Mittelständler im Gegenwind
Skylotec ist kein Konzern, kein Weltmarktführer, kein Symbol für die deutsche Exportmaschine. Aber ein typisches Beispiel für das, was Deutschland stark gemacht hat: Mittelstand, Spezialistentum, Qualität.
Die Produkte aus Neuwied schützen Höhenarbeiter, Kletterer, Baumkletterer, Spezialeinheiten. Egal ob Windrad oder Polizeieinsatz – viele hängen im wahrsten Sinne des Wortes an Skylotec.

Und genau diese Qualität droht nun zur Belastung zu werden. Denn die Produkte haben eine kurze Haltbarkeit. Wer zu früh liefert und auf Halde produziert, verliert. Wer zögert, verpasst Aufträge. Wer zu spät ist, wird ersetzt. "Wir wissen nicht, worauf wir uns vorbereiten sollen", sagt Geschäftsführer Alexander Merl.
Strategien im Nebel
Natürlich hat Skylotec reagiert. Lager in den USA gefüllt, Bauteile statt Komplettware geliefert, Preise erhöht. Aber das alles ist nur Symptombekämpfung. Die Unsicherheit bleibt – und frisst sich in jede Entscheidung.
Denn was passiert, wenn Donald Trump zurückkommt? Oder wenn doch ein Handelsabkommen kommt, das alles wieder auf Null stellt? Wer jetzt falsch plant, sitzt später auf zu teurer Ware. Oder hat keine Ware mehr, wenn der Zoll plötzlich doch wieder fällt.
Skylotec könnte zocken. Doch Merl will nicht spekulieren. Er will planen können.
Ein Land – drei Probleme
Die USA sind für Skylotec ein wichtiger Markt. Zehn Prozent des Umsatzes kommen von dort. Eigentlich sollte das der nächste Wachstumshebel sein. Doch statt Wachstum gibt es Fragezeichen:
- Zölle auf Aluminium-Bauteile machen Produkte teurer und unattraktiver.
- Kunden reagieren sensibel auf Preissteigerungen – einige springen bereits ab.
- Der politische Kurs ist unvorhersehbar, auch unter Biden.
Es geht längst nicht mehr um Wirtschaft, sondern um Industriepolitik. „Buy American“ heißt die neue Devise. Und die wird parteiübergreifend getragen.
Lokalisierung als letzte Rettung
Skylotec zieht Konsequenzen. In Denver entsteht eine echte Fertigung. Nicht mehr nur Montage, sondern Produktion. Mit lokalen Zulieferern, amerikanischen Materialien, Zertifizierungen. Es ist teuer. Es ist aufwendig. Aber es ist – Stand heute – alternativlos.
Denn nur so kann man langfristig zollfrei liefern. Und den Trend „Made in USA“ bedienen, den viele Kunden inzwischen einfordern. Merl sagt: „Wenn ,Made in USA‘ draufsteht, kommt das gut an.“

Wenn Vorsorge zur Falle wird
Interessant ist, wie sehr die Handlungsmöglichkeiten von außen eingeschränkt sind. Skylotec ist bereit, zu investieren, umzubauen, mit den Kunden zu reden. Aber all das funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt.
Denn in einer Welt ohne klare Regeln hilft selbst der beste Plan nichts. Wird verhandelt oder gestritten? Wird gelockert oder verschärft? Die Antworten darauf liegen in Washington – nicht in Neuwied.
Politik auf dem Rücken der Falschen
Was Skylotec erlebt, ist kein Einzelfall. Die DZ Bank fand heraus: Jeder sechste Mittelständler mit US-Geschäft fürchtet heute unmittelbare Folgen der US-Zollpolitik. Fast die Hälfte sieht darin ein strategisches Risiko.
Die deutsche Politik? Reagiert kaum. Ein Freihandelsabkommen mit den USA ist nicht in Sicht. Entlastung? Fehlanzeige. Die Realität ist: Wer nicht selbst Lösungen findet, bleibt auf der Strecke.
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