Zunächst kein Gegenschlag
Eigentlich hätte der Schlagabtausch am Montag beginnen sollen. 21 Milliarden Euro – so viel war das vorbereitete Maßnahmenpaket der Europäischen Union wert, das US-Produkte mit Zöllen belegen sollte.
Doch Ursula von der Leyen trat am Sonntag überraschend auf die Bremse. Die EU-Kommissionspräsidentin verschob das Inkrafttreten der Zölle auf Anfang August.
Der Grund: Verhandlungsspielraum. Oder zumindest die Hoffnung darauf. US-Präsident Donald Trump hatte am Samstag neue Strafzölle von 30 Prozent auf EU-Importe angekündigt – ein drastischer Schritt, der unter anderem die Maschinenbau-, Chemie- und Textilbranche in Europa treffen würde. Aber auch hier: Inkrafttreten erst am 1. August.
Die EU entscheidet sich nun für Deeskalation. Für den Moment.
Einigkeit sieht anders aus
Doch die Verschiebung ist alles andere als ein Ausdruck europäischer Geschlossenheit. Hinter den Kulissen brodelt es. Deutschland drängt auf Mäßigung, aus Sorge vor einer Eskalation, die besonders den exportlastigen Mittelstand treffen würde. Frankreich hingegen plädiert für Härte – und für klare Kante gegenüber Washington.
SPD-Politiker Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, sprach sich deutlich gegen das Zögern aus. Seine Einschätzung: „Trump versteht nur klare Gegenwehr.“ Dass nun ausgerechnet die EU abwartet, während der US-Präsident längst aufrüstet, sei das falsche Signal.
Trumps Rechnung ist rein fiskalisch
Der US-Präsident verfolgt mit seiner Zollpolitik längst nicht mehr nur geopolitische Ziele. Es geht ums Geld. Ganz konkret. Die USA haben ein Haushaltsproblem – und Trump will Zölle als Einnahmequelle nutzen.

Laut US-Finanzministerium lagen die Einnahmen aus Strafzöllen im Juni bei über 27 Milliarden Dollar. Nie zuvor nahm Washington mehr über Importabgaben ein.
Trump denkt weiter: Im laufenden Haushaltsjahr sollen erstmals über 100 Milliarden Dollar aus Zöllen kommen. Ein Rekordwert – und ein Fundament für das, was er innenpolitisch verspricht: Steuersenkungen trotz Rekordschulden.
Für Europa steht mehr auf dem Spiel
Die EU hingegen kann sich solche fiskalischen Spielereien nicht leisten – zu stark sind die ökonomischen Verflechtungen mit den USA. Die Vereinigten Staaten sind Deutschlands wichtigster Handelspartner. Vor allem Branchen wie Maschinenbau, Pharma und Chemie sind stark abhängig von einem funktionierenden Transatlantikhandel.
Trump dagegen macht keinen Hehl aus seinem Ziel: weniger Importe, mehr Produktion in den USA. Seine Zölle sollen nicht regulieren, sie sollen abschrecken. Und damit ist sein Kurs klar: wirtschaftlicher Nationalismus, finanziert über Strafmaßnahmen.
Ein Poker mit unklaren Karten
Die EU versucht nun, einen Verhandlungskorridor zu schaffen – mit dem Ziel, die angedrohten Zölle von 30 Prozent auf 10 bis 15 Prozent zu drücken. Ein EU-Diplomat sagte am Wochenende:
„Man ist in den Gesprächen eigentlich weit fortgeschritten.“
Doch solche Einschätzungen sind Wunschdenken, solange Trump keinen politischen Willen zur Einigung zeigt.
Während einige EU-Mitgliedstaaten in bilateralen Gesprächen Ausnahmen für ihre nationalen Branchen suchen – etwa die deutsche Autoindustrie – steht die Union insgesamt unter Druck: Entweder sie handelt geschlossen. Oder sie wird auseinanderdividiert.
Wer zahlt den Preis für die Geduld?
Ein zollpolitischer Waffenstillstand kann nur funktionieren, wenn beide Seiten ihn ernst nehmen. Doch die Signale aus Washington sprechen eine andere Sprache. Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett erklärte am Wochenende, die EU-Angebote seien „unzureichend“. Man erwarte Nachbesserungen – andernfalls komme der 30-Prozent-Zoll wie angekündigt.
In Brüssel fragt man sich nun, ob die Verschiebung der Gegenmaßnahmen ein taktischer Fehler war. Denn eines ist klar: Wenn die EU ihre eigenen Drohungen nicht ernst nimmt, warum sollte es Trump tun?
Neue Märkte, neue Allianzen?
Als symbolische Gegenbewegung präsentierte von der Leyen am Sonntag die Einigung mit Indonesien auf ein Freihandelsabkommen (CEPA). Es sei ein wichtiges Signal, sagte sie, dass Europa seine Handelsbeziehungen diversifiziert. Doch realistisch gesehen: Indonesien ist kein Ersatz für die USA.
Langfristig wird sich die EU die Frage stellen müssen, wie abhängig sie von einem unberechenbaren Partner wie den USA bleiben will – und wie viel Souveränität sie bereit ist, dem transatlantischen Goodwill zu opfern.
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