21. Mai, 2025

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Wirtschaftliche Wiederannäherung trotz Krieg?

Offiziell herrscht Eiszeit. Doch hinter den Kulissen sondieren Konzerne und Mittelständler bereits Szenarien für die Zeit nach dem Krieg. Während Kanzler Merz die Fronten härtet, wird in Firmenzentralen heimlich wieder russisch gedacht.

Wirtschaftliche Wiederannäherung trotz Krieg?
Während viele westliche Firmen Russland verlassen haben, hält Metro an seinem Engagement fest: 2023 setzte der Handelskonzern dort 2,4 Milliarden Euro um – mehr als im Heimatmarkt Deutschland.

Lubmin wartet

Axel Vogt steht auf seinem Rettungsturm am Strand von Lubmin und schaut Richtung Horizont. Dort, unter der Wasseroberfläche, enden die Röhren von Nord Stream 1 und 2. Keine Gasblase mehr, keine Bedeutung mehr?

Nicht für Vogt. Der DRK-Chef und Bürgermeister will die Leitungen reaktivieren. "Sobald sich die Lage beruhigt hat", sagt er.

In Berlin klingt das anders. "Die größte Bedrohung für Europa geht von Russland aus", heißt es im Koalitionsvertrag. Doch was passiert, wenn die USA das anders sehen? Wenn Trump zurückkommt und Putin wieder umarmt?

Testlauf im Hintergrund

Einige Unternehmen stellen sich genau auf dieses Szenario ein. Sie ziehen sich nicht zurück, sondern fahren herunter. "Winterschlaf", heißt das in der Branche. Metro, Beiersdorf, Bahlsen, Hochland – sie alle halten ihren Fuß in der Tür. Man weiß ja nie.

Der Berater Ulf Schneider, mit Hauptsitz in Moskau, berichtet von deutschen Kunden, die Maschinen wieder anlaufen lassen. "Viele warten nur noch auf das grüne Licht." Manche sichern sich mit Rückkaufoptionen ab, andere treffen ihre Manager lieber in Istanbul statt in Moskau. Die Produktion läuft in vielen Fällen weiter. Nur leiser.

Geschäft mit Gewissensbissen

Die Unternehmen geben sich dabei betont moralisch. Bayer verweist auf Medikamente, Ritter Sport spendet seine Russlandgewinne. Doch auch handfeste Ökonomie spielt mit. Wer geht, verliert alles. Wer bleibt, könnte später belohnt werden.

Ritter Sport erzielte 2023 rund eine Million Euro Gewinn in Russland – spendete diesen laut eigenen Angaben komplett an Hilfsorganisationen in der Ukraine. Kritik gab es dennoch, unter anderem von ukrainischen Diplomaten.

Putin hat es versprochen: Wer durchhält, dürfe zur Belohnung zurückkehren. Wer öffentlich geht, wird gestrichen. Diese Botschaft ist angekommen. Inzwischen arbeiten wieder mehr Deutsche in russischen Werken als noch vor einem Jahr. Und viele verdienen dort besser als daheim.

Trumps Rolle

Trump hat in seinem Drang zum "Deal" angeblich bereits Fühler ausgestreckt. Die Gespräche zwischen Russland und den USA zur Zukunft von Nord Stream laufen. Dass gerade er die Pipeline retten könnte, wäre eine politische Ironie – aber keine unrealistische.

Die EU-Kommission plant währenddessen ein komplettes Einfuhrverbot für russisches Gas. Doch was, wenn Washington einen anderen Kurs einschlägt? Und wenn der Druck auf Berlin wächst, mitzumachen? Im Bundeswirtschaftsministerium denkt man diesen Fall bereits durch.

Stille Kontakte, laute Kritik

Die alte Russland-Connection lebt. Nur spricht niemand gern darüber. Außerhalb des Rampenlichts gibt es Treffen, Austausch, Gesprächskanäle. Wer sie nutzt, riskiert Shitstorms – wie SPD-Politiker Ralf Stegner nach einem Treffen mit russischen Vertretern in Baku.

Doch Gespräche sind nicht gleich Gesinnung. Und wirtschaftlicher Pragmatismus ist nicht gleich politische Naivität. Viele Unternehmen wollen einfach vorbereitet sein. Falls es wieder losgeht. Falls Trump tatsächlich eine neue Wirtschaftsordnung durchdrückt.

Das Comeback der Pipeline?

Lubmin hat einst gut verdient am Gas. 2,75 Millionen Euro Gewerbesteuer brachte die Nord Stream AG der kleinen Gemeinde jährlich. Jetzt ist das vorbei. Vogt hofft trotzdem weiter. Und er ist nicht allein.

In deutschen Firmenzentralen gibt es Exceltabellen mit "Russland-Szenarien". Risikoeinschätzungen, Szenarien, Reaktivierungspläne. Der Ton bleibt offiziell hart. Aber unter der Oberfläche läuft der Motor wieder warm.

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