Die Weltgesundheitsorganisation intensiviert ihre Warnungen zum Konsum von pasteurisierter Milch nach dem ungewöhnlichen Vorfall eines mit dem Vogelgrippevirus A(H5N1) infizierten Mannes in den Vereinigten Staaten. Der betroffene Mann, der in beruflichem Kontakt mit Rindern stand, wies lediglich leichte Symptome auf, die an eine Bindehautentzündung erinnerten. Dieser Fall, verzeichnet in Texas, markiert die erste bekannte Übertragung von A(H5N1) von einer Kuh auf einen Menschen und wirft neue Fragen zur Infektionsdynamik des Virus auf.
Laut Wenqing Zhang, der Leiterin des WHO-Influenza-Programms, bleiben Übertragungen auf Menschen im Kontext von A(H5N1) eine Seltenheit und stehen meist in direktem Zusammenhang mit dem Kontakt zu infizierten Tieren beziehungsweise deren Lebensraum. Die US-amerikanischen Behörden, die diesen Vorfall Anfang April meldeten, entdeckten zudem das Virus in nicht pasteurisierter Milch. Ihre Untersuchungen deuten auf eine primäre Ansteckung der Rinder durch Wildvögel hin.
Mit 29 betroffenen Herden in acht Bundesstaaten bleibt das Auftreten des Virus bislang auf die USA begrenzt. Eine genaue Analyse des Virus ergab keine Hinweise auf Mutationen, die eine vermehrte Anpassung an Säugetiere suggerieren. Dennoch verweist die WHO auf eine zunehmende Komplexität im Ansteckungsgeschehen. Es wurden Fälle von Vogel-zu-Kuh, Kuh-zu-Kuh und Kuh-zu-Vogel-Transmissionen dokumentiert, was auf bisher unerkannte Übertragungsmechanismen hindeuten könnte.
Das seit 1996 bekannte und hochpathogene A(H5N1)-Virus zeigt seit 2020 eine stark zunehmende Verbreitung unter Vögeln und Säugetieren, inklusive Nerze, Robben und Füchse. Angesichts der größten bisher verzeichneten Vogelgrippewelle, die sich global ausbreitet, ist die WHO in Zusammenarbeit mit Partnern dabei, eine aktualisierte Risikobeurteilung zu (A)H5N1 vorzunehmen.
Seit 2003 erfasste die WHO fast 900 menschliche Infektionsfälle mit einer Sterblichkeitsrate von rund 50 Prozent. Es wird jedoch vermutet, dass die tatsächliche Infektionsrate höher liegen könnte, da asymptomatisch Verlaufende nicht erfasst werden.