Sonne satt, Strom im Überfluss – und trotzdem keine echte Ersparnis
Es ist ein Bild, das die Energiewende gern zeichnet: Die Sonne scheint, das Dach ist voll mit Solarmodulen, die Wärmepumpe brummt, das E-Auto lädt günstig an der heimischen Wallbox. Klingt gut.
Und geht angeblich auch günstig – mit sogenannten flexiblen Stromtarifen, die sich am Börsenpreis orientieren.
Doch was auf dem Papier nach Zukunft klingt, entpuppt sich in der Praxis oft als zäher Spagat zwischen Technik, Timing und Tarifbedingungen.
Zwar gibt es Tage, an denen Strom im Überfluss vorhanden ist – wie vergangene Woche, als der Preis an der Börse zur Mittagszeit ins Minus rutschte. Aber: Das bedeutet noch lange nicht, dass Verbraucher automatisch profitieren.
Flexibel heißt nicht automatisch günstig
Der Energiekonzern E.on trommelt laut für das neue Strommodell. Man könne, so Vorstandschef Filip Thon, mit dynamischen Tarifen kräftig sparen – und gleichzeitig das Netz entlasten.
Die Idee: Wer dann Strom verbraucht, wenn er gerade besonders billig ist, hilft nicht nur dem eigenen Geldbeutel, sondern auch dem System.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Zwar zeigen Berechnungen der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), dass sich theoretisch rund 15,6 Terawattstunden Strom im Jahr in günstigere Tageszeiten verschieben ließen. Doch was technisch geht, ist nicht automatisch praktisch machbar – und erst recht nicht wirtschaftlich sinnvoll.
Ohne Steuerbox geht fast nichts
Denn wer wirklich flexibel sein will, braucht mehr als nur guten Willen. Zentral ist ein sogenanntes Home-Energie-Management-System (HEMS), das verschiedene Verbraucher – etwa Wallbox, Wärmepumpe, Spülmaschine – miteinander abstimmt.

So eine Box kostet etwa 300 Euro, dazu kommen die Kosten für digitale Stromzähler (Smart Meter), oft mehrere, jeweils mit eigener Gebühr. Unter dem Strich können so jährlich bis zu 200 Euro allein für die Messinfrastruktur fällig werden.
Das Problem: Die möglichen Einsparungen liegen – laut E.on selbst – bei maximal 240 Euro im Jahr. Die Rechnung geht also nur unter idealen Bedingungen auf. Und die sind selten.
Wer tagsüber arbeitet, hat das Nachsehen
Entscheidend ist der Moment des Verbrauchs. Das Auto muss mittags zu Hause stehen, wenn die Sonne scheint. Die Wärmepumpe sollte am besten nachts laufen. Und der Geschirrspüler bitte auch.
Wer aber tagsüber nicht zu Hause ist oder auf die Flexibilität im Alltag angewiesen ist, verliert schnell den Vorteil der günstigen Zeitfenster.
Besonders bitter: Wenn alle Verbraucher gleichzeitig auf die gleichen Preissignale reagieren, droht eine neue Überlastung des Netzes – genau das, was man eigentlich vermeiden wollte. FfE-Geschäftsführer Serafin von Roon warnt bereits davor: „Die Flexibilisierung darf nicht zur nächsten Belastung werden.“
Verbraucher tragen das Risiko – nicht die Versorger
Dynamische Tarife sind kein neues Konzept. Anbieter wie Tibber, Octopus oder Polarstern setzen schon länger auf stündlich schwankende Preise. Was aber kaum gesagt wird: Das Risiko tragen die Kunden.
Wenn der Strom knapp wird – etwa bei Dunkelflaute im Winter – kann die Kilowattstunde plötzlich mehr als einen Euro kosten. Das kann die ganze Jahresersparnis auf einen Schlag zunichtemachen.
Ein Geschäftsmodell mit Haken
Für Versorger lohnt sich das Modell trotzdem. Sie verkaufen nicht nur den Strom, sondern auch die Geräte, die man dafür braucht – von der Wärmepumpe über die Wallbox bis zur Steuerbox. Komplettlösungen sind gefragt, nicht zuletzt wegen der staatlichen Förderung.
Doch am Ende bleibt die Frage: Wer profitiert eigentlich wirklich? Für Mieter oder Menschen ohne eigene Solaranlage sind die Modelle kaum attraktiv. Und auch viele Eigenheimbesitzer dürften angesichts der zusätzlichen Technik, der Kosten und des Verwaltungsaufwands eher zurückhaltend sein.
Das könnte Sie auch interessieren:
