Ein Satz, der alles verändert
Es war nur ein kurzer Auftritt am Rande der UN-Vollversammlung in New York – doch die Botschaft schlug ein. „Die Ukraine kann ihr gesamtes Staatsgebiet zurückerobern“, erklärte Donald Trump. Mit Zeit, Geduld und westlicher Unterstützung sei eine Rückkehr zu den Grenzen von 2014 möglich.
Noch im August hatte der US-Präsident eine völlig andere Linie vertreten. Damals bestand er darauf, Kiew müsse für einen Waffenstillstand territoriale Zugeständnisse machen. Nun also die Kehrtwende. Was hat sich geändert?
Treffen mit Selenskyj
Eine Rolle spielte das Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj, das Trump nach seiner Rede im UN-Plenum führte. Der ukrainische Präsident sprach anschließend von einer „großen Kehrtwende“ und lobte Trumps „persönliche Bemühungen“. Offiziell bleibt unklar, was hinter verschlossenen Türen gesagt wurde.

Aber die Tonlage Trumps ist eindeutig: Er hat sich von der Vorstellung verabschiedet, Russland könne durch Verhandlungen zu einem schnellen Frieden gedrängt werden.
Polens Druck auf die Agenda
Entscheidend dürfte auch der Druck aus Osteuropa sein. Polens Regierungschef Donald Tusk hatte angekündigt, russische Kampfjets bei Grenzverletzungen abzuschießen. Auf die Frage, ob er diese Entscheidung unterstütze, antwortete Trump knapp: „Ja, das tue ich.“
Das war bemerkenswert. Noch vor wenigen Tagen hatte er ähnliche Vorfälle als „Versehen“ abgetan. Nun stellt er sich demonstrativ hinter Warschau – und signalisiert damit, dass die NATO im Ernstfall zusammenstehen müsse.

Ungeduld mit Putin
Seit Monaten hat Trump immer wieder Fristen gesetzt, bis wann Moskau Entgegenkommen zeigen müsse. Doch keine einzige dieser Ultimaten blieb ohne Bruch. In New York klang der Präsident ungewohnt gereizt: „Ob ich noch Vertrauen in Putin habe? Das lasse ich Sie ungefähr in einem Monat wissen.“
Ein Satz, der zeigt: Die Geduld des US-Präsidenten ist am Ende. Und er will es auch öffentlich so verstanden wissen.
Energie als Machtfrage
Parallel dazu erhöhte Trump den Druck auf Europa. Seine Forderung: Schluss mit dem Import russischer Energie. „Ja, die Ukraine sollte den Krieg gewinnen“, erklärte Estlands Außenministerin Kaja Kallas und stellte sich demonstrativ an Trumps Seite.
Doch der Präsident ging weiter. Sollten die Europäer nicht mitziehen, drohte er mit Strafzöllen auf russische Energieträger – und sogar auf chinesische Waren. Washington deutet damit an: Wer Moskau indirekt stützt, wird auch in den Handelskonflikt mit den USA hineingezogen.
Kalkül statt Laune
War das also ein spontaner Sinneswandel? Kaum. Vieles spricht dafür, dass Trump seine Position bewusst angepasst hat. Die Nähe zu Putin hat ihm innenpolitisch geschadet, außenpolitisch wurde sie zunehmend unhaltbar. Mit der Kehrtwende verschafft er sich Luft – und präsentiert sich als Präsident, der Stärke zeigt, wenn Russland weiter eskaliert.
Signal an den Kreml
Für die Ukraine ist das ein diplomatischer Erfolg. Zum ersten Mal spricht Trump davon, dass eine vollständige Rückeroberung realistisch sei. Für den Kreml hingegen ist es eine Warnung. Der Mann, den man in Moskau noch im Sommer als Gesprächspartner hofierte, könnte sich bald als größter Gegner entpuppen.
Trump selbst ließ die Zukunft offen – wie so oft. Aber eines ist klar: Der politische Preis für ein zu enges Bündnis mit Putin ist für ihn inzwischen höher als der Nutzen. Und genau darin liegt die eigentliche Botschaft seiner „großen Kehrtwende“.
