Zwischen Tee und Tarifen
Es ist ein Treffen, das nicht auf den ersten Blick wie Weltwirtschaftsgeschichte klingt: Ein Sonntag in Schottland, eine Landung der Air Force One im verregneten Prestwick, ein kühler Händedruck. Doch was hier passiert, könnte für Europas Exportwirtschaft zum Wendepunkt werden.
US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhandeln über einen Handelsdeal, der verhindern soll, dass Zölle von bis zu 30 % auf europäische Waren greifen – insbesondere auf Autos, Maschinen, Agrarprodukte. Die Uhr tickt: Am 1. August endet die Frist. Danach könnte Washington durchziehen. Oder einlenken.
Die EU auf Bewährung
Schon seit Wochen läuft hinter den Kulissen ein diplomatischer Balanceakt. Technokraten entwerfen Zolltabellen, Juristen feilen an Formulierungen, Politiker sondieren Linien.
Am Ende liegt alles auf dem Tisch – Stahl, Pharma, Cloud-Technologien, Agrarstandards. Doch was Trump interessiert, ist weniger das Detail als das Ergebnis: Öffnet Europa den Markt für amerikanische Anbieter – oder nicht?
Für die EU ist es ein Dilemma: Sie muss glaubwürdig bleiben, aber gleichzeitig wirtschaftliche Schäden vermeiden. Allein die deutschen Autobauer wären von Trumps Strafzöllen besonders betroffen – jährlich stehen Exportvolumina in zweistelliger Milliardenhöhe auf dem Spiel.
Trump pokert – und bleibt sich treu
Trump selbst gibt sich derweil betont locker. „Wir werden sehen, ob wir einen Deal machen“, sagte er nach seiner Ankunft. Die Erfolgschance: „Fifty-fifty.“ Das ist für den Dealmaker ein ungewöhnlich nüchterner Satz – und wohl genau deshalb strategisch gewählt. Der Druck soll auf der Gegenseite lasten.

Denn wer den Ton angibt, diktiert meist auch die Bedingungen. Und Trump weiß, wie er diesen Druck nutzt. Schon mit Japan wurde ein schneller Deal abgeschlossen – 15 % Zölle, deutlich unter der ursprünglichen Drohung. Bei Europa geht es nun um mehr als nur Zahlen: Es geht um Prestige, Partnerschaft – und den richtigen Zeitpunkt für die Eskalation.
Zugeständnisse oder Zollschraube?
Insider aus Brüssel berichten, dass Trump vor allem auf zwei Punkte drängt: bessere Marktzugänge für US-Agrarprodukte und eine Lockerung regulatorischer Hürden in der Industriepolitik. Im Gegenzug bietet er die Aussetzung der Zölle an – zunächst befristet, aber verhandelbar.
Für Europa ist das ein Risiko. Denn die Bedingungen könnten später nachgeschärft werden. Ein erster Deal auf Zeit wäre zwar symbolisch wertvoll, aber rechtlich wacklig. Und langfristig könnte er Europa zur Erfüllungsgehilfin amerikanischer Industriepolitik machen.
Prestwick als geopolitisches Schachbrett
Dass das Treffen ausgerechnet in Schottland stattfindet, ist kein Zufall. Trump besitzt dort mehrere Golfanlagen, mag das Land – und vermeidet bewusst Brüssel oder Berlin. Von der Leyen wiederum zeigt mit dem Besuch, dass sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen – und die Eskalation nicht einfach an den Nationalstaaten vorbei aussitzen will.
Beide setzen auf Inszenierung – aber mit unterschiedlichen Zielen. Trump will den „größten Deal von allen“. Die EU will vor allem eines: Zeit gewinnen.
Brüssel unter Druck, Berlin im Spiel
Im Hintergrund wirken weitere Akteure. Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich zuletzt auffällig optimistisch gezeigt. Er will eine Einigung – auch, weil die deutsche Industrie mit am meisten zu verlieren hat. Frankreich hingegen warnt: zu viele Zugeständnisse könnten das Gleichgewicht innerhalb der EU gefährden.
Ein Deal mit Trump ist nie nur ein Deal. Er ist ein politisches Signal – an China, an die NATO, an die US-Wählerschaft. Und er hat immer einen Preis.
Warum diese Verhandlungen mehr sind als Zollpolitik
Der Streit zwischen USA und EU ist auch ein Ausdruck tieferer struktureller Konflikte: Europas Regulierung gegen Amerikas Freihandelslogik. Subventionen gegen Deregulierung. Klimaziele gegen Agrarinteressen.
Ein Kompromiss müsste all das einhegen – und dabei wirtschaftlich sinnvoll, politisch tragfähig und juristisch belastbar sein. Keine leichte Aufgabe. Schon gar nicht in einem schottischen Golfhotel mit Blick auf den Ärmelkanal.
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