Nachdem in der vergangenen Woche stundenlang gestreikt wurde und eine Urabstimmung über unbefristete Streiks angelaufen ist, haben die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) heute ihre Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag fortgesetzt. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem das kontroverse Thema Arbeitszeitsenkung und andere Kompromisslinien.
Allerdings fehlte überraschend der GDL-Chef Claus Weselsky bei den Verhandlungen. Laut dem stellvertretenden GDL-Bundesvorsitzenden Lars Jedinat war Weselsky anderweitig verhindert. Ob und wann er noch zum Verhandlungsort dazustoßen wird, bleibt unklar. DB-Personalvorstand Martin Seiler kommentierte den Vorfall mit einem Schmunzeln und sagte, dass jeder seine Prioritäten setzen müsse.
Über den Verlauf der Verhandlungen wurde bisher nichts bekannt. Die GDL fordert eine Senkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Die Bahn hält diese Forderung für unerfüllbar und sieht keinen Verhandlungsspielraum. Zusätzlich zur Arbeitszeitsenkung fordert die GDL eine Gehaltserhöhung von 555 Euro pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie für die Beschäftigten. Die Bahn hat bisher eine Entgelterhöhung von elf Prozent bei einer Laufzeit von 32 Monaten angeboten.
Die GDL strebt außerdem an, ihre Tarifverträge auch auf die Beschäftigten in den Infrastrukturbetrieben auszuweiten. Die Bahn lehnt dies ab, da sie der Meinung ist, dass die GDL unter diesen Beschäftigten kaum Mitglieder hat. Die GDL ist im Vergleich zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die kleinere Gewerkschaft im DB-Konzern. Die EVG hat bereits im Frühjahr und Sommer neue Tarifverträge für gut 180.000 DB-Beschäftigte verhandelt.
Trotz der Verhandlungen scheint eine Lösung des Tarifkonflikts momentan eher unwahrscheinlich. GDL-Chef Weselsky hatte erst kürzlich in einem Zeitungsinterview einen weiteren Warnstreik angekündigt. Parallel zu den Verhandlungen läuft bei der Gewerkschaft eine Urabstimmung über unbefristete Streiks. Sollten 75 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für solche Maßnahmen stimmen, hätte Weselsky ein weiteres Druckmittel gegenüber den DB-Verhandlern.