Wenn Handball plötzlich sexy wird
Ohne große Inszenierung, aber mit einem überlegten Passspiel: Dyn Media, bislang vor allem Insidern ein Begriff, holt sich zwei neue Gesellschafter ins Boot – und was für welche.
Die Schwarz Gruppe (Lidl, Kaufland) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) steigen mit frischem Kapital und strategischer Schlagkraft ein. Damit wird ein Projekt gestärkt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Sportarten abseits des Fußball-Mainstreams wie Handball, Tischtennis, Volleyball oder Hockey medienwirksam zu präsentieren.
Der Clou: Gründer Christian Seifert, früher selbst DFL-Geschäftsführer, verknüpft seine tiefe Kenntnis der Sportvermarktung mit Kapital – und jetzt auch mit Zugängen, die über Werbekampagnen hinausreichen.
Klingt nach Nischensport? Denkste
Dyn Media erreicht nach eigenen Angaben eine kumulierte Reichweite von 850 Millionen Kontakten – keine Einzelnutzer, aber ein deutliches Signal, dass Handball & Co. mehr können als Hallensport für Hardcorefans.
Mit neuen Produktionsstandards, innovativer Kameraführung und einer modernen Regieästhetik hat Dyn die Inszenierung dieser Sportarten auf ein neues Level gehoben.
Die Rechte an Basketball und Handball liegen dort ohnehin schon. Was bislang fehlte, waren Reichweite, Kapital – und vor allem: technologische Hebel.
Lidl denkt in Plattformen, nicht in Sonderangeboten
Für die Schwarz Gruppe ist das Investment mehr als Sponsoring. Die Digitaltochter Schwarz Digits entwickelt bereits eigene Cloudtechnologie – unabhängig von US-Anbietern.

Nun will man auch Inhalte beisteuern. Sport eignet sich dabei bestens zur Markenbindung: Wer bei Lidl einkauft, könnte künftig in der App nicht nur Rabattcoupons, sondern auch Handball-Highlights streamen. Amazon macht es mit Prime und Fußballrechten seit Jahren vor.
Das ist kein nettes Add-on – das ist Plattformstrategie. Emotionalisierung durch Content, monetarisiert durch Retail.
Die DFL löst mit dem Deal gleich mehrere Probleme
Die Bundesliga-Führungsspitze hatte zuletzt Mühe, ein tragfähiges Modell für die Internationalisierung der eigenen Medienrechte zu finden. Ein milliardenschwerer Deal mit Private Equity scheiterte 2024 am Widerstand der Vereine.
Eine eigene Plattform aufzubauen wäre teuer geworden: Die DFL kalkulierte mit mindestens 50 Millionen Euro. Der Einstieg bei Dyn ist nun die günstige Abkürzung – mit technischer Infrastruktur und Nutzererfahrung inklusive.
Zugleich sichert man sich die Option, langfristig selbst Inhalte über Dyn zu vermarkten – und nebenbei vielleicht auch die Preisfindung bei den eigenen Rechteverhandlungen zu stabilisieren.
Seiferts Meisterstück: Wer braucht noch ProSiebenSat.1?
Dass Dyn keine Luftnummer ist, zeigt nicht nur das Interesse der DFL. Auch ProSiebenSat.1 war laut Recherchen in fortgeschrittenen Gesprächen, bis interner Streit der Eigentümer aus Italien und Tschechien den Deal verhinderte.
Für Christian Seifert, der die Plattform 2022 mit Springer-Kapital startete, ist das jetzt ein Befreiungsschlag: Statt eines kriselnden Medienhauses bekommt er zwei strategische Partner mit Zugang zu Zielgruppen, Kapital – und jeder Menge Motivation.
Was der Deal wirklich bedeutet
Dyn Media ist mehr als ein Netflix für Randsport. Es ist der Versuch, Sportinhalte auf eine neue Stufe zu heben – inhaltlich, technologisch und kommerziell.
Dass sich nun Handelsriesen und Fußballverbände beteiligen, zeigt: Der Kampf um Aufmerksamkeit und Plattformhoheit hat erst begonnen. Und der Gegner heißt nicht Sky, nicht DAZN, sondern Google, Amazon, Apple.
Die Frage ist nicht mehr, ob es für Handball einen Markt gibt. Die Frage ist, wer diesen Markt zuerst digitalisiert – und emotional auflädt.
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