Der Denim-Klassiker trotzt der Modezyklen – aber nicht den Erwartungen der Börse. Levi Strauss & Co. hat seine Jahresprognose für Umsatz und Gewinn angehoben, befeuert durch eine anhaltend hohe Nachfrage nach weit geschnittenen Jeans. Dennoch sackte die Aktie des kalifornischen Modekonzerns am Donnerstag nachbörslich um sieben Prozent ab.
Was auf den ersten Blick paradox wirkt, folgt an der Wall Street einer alten Logik: Wer besser liefert, muss künftig noch mehr liefern. Und Levi Strauss hat seine Latte nun so hoch gelegt, dass selbst solide Ergebnisse plötzlich nicht mehr reichen.
Optimistische Prognose – skeptische Märkte
Für das laufende Geschäftsjahr 2025 erwartet Levi Strauss nun ein organisches Umsatzwachstum von rund sechs Prozent – zuvor lag das Ziel bei 4,5 bis 5,5 Prozent. Der bereinigte Gewinn je Aktie (EPS) soll zwischen 1,27 und 1,32 US-Dollar liegen. Analysten hatten im Schnitt 1,31 Dollar erwartet – also im oberen Bereich dieser Spanne.
Das Problem: Die Börse wollte mehr. Anleger hatten nach mehreren Quartalen steigender Margen und einem kräftigen Nordamerika-Geschäft auf eine noch deutlichere Anhebung gehofft. Stattdessen sendet der Konzern ein Signal der Stabilität – kein Wachstumssprung, sondern solide Kontinuität.
„Levi ist operativ stark, aber die Story ist auserzählt“, sagt ein Analyst eines US-Investmenthauses. „Die Aktie lebt von Momentum – und das ist im Moment raus.“
Der Trend zur „New Comfort“-Mode
Dabei profitiert Levi Strauss derzeit von einem klaren Modeimpuls: Weit geschnittene Jeans und lockere Silhouetten erleben ein globales Comeback, insbesondere bei jüngeren Konsumenten. Die Marke konnte diesen Trend früh besetzen – mit Linien wie der „Baggy Fit“-Kollektion oder der Rückkehr klassischer 90er-Schnitte.
Zudem verlagert das Unternehmen den Vertrieb zunehmend in eigene Kanäle: D2C (Direct-to-Consumer)-Verkäufe machen mittlerweile rund 40 Prozent des Umsatzes aus – eine Verdopplung gegenüber 2018. Diese höhere Kontrolle über Preise und Margen stärkt die Profitabilität, insbesondere in Zeiten schwankender Großhandelsnachfrage.
Doch diese Transformation kostet. Der Ausbau digitaler Plattformen, Investitionen in Nachhaltigkeit und neue Produktionsprozesse belasten kurzfristig die Margen. Genau das honoriert die Börse nicht – noch nicht.
Ein globaler Spagat
In den USA, dem Heimatmarkt, läuft das Geschäft stabil. In Europa hingegen kämpft Levi Strauss mit einem schwächeren Konsumklima und einem zunehmend fragmentierten Wettbewerb. Marken wie Zara, H&M oder Diesel drängen stärker in den Denim-Markt – teils mit aggressiven Preismodellen.
Besonders deutlich wird das in Deutschland, wo Levi jahrelang als „Jeans der Mitte“ galt – bezahlbar, aber mit Image. Heute verliert die Marke in der mittleren Preisschicht Marktanteile, während sie im Premiumsegment wächst. Das führt zu einem paradoxen Effekt: höherer Umsatz, aber geringere Stückzahlen.
Für CEO Michelle Gass, die seit 2024 an der Spitze steht, ist das Teil eines geplanten Strategiewechsels. „Wir wollen Qualität vor Volumen“, sagte sie zuletzt in einem Analysten-Call. „Unser Ziel ist es, weniger Rabattaktionen und eine klarere Preisstrategie umzusetzen.“
Das mag betriebswirtschaftlich richtig sein – an der Börse aber zählt Wachstum, nicht Disziplin.
Der Druck der Anleger
Levi Strauss ist eines der ältesten börsennotierten Modeunternehmen der Welt – und eines der transparentesten. Doch genau das macht es anfällig für kurzfristige Marktreaktionen.
Die operative Marge lag im letzten Quartal bei 10,8 Prozent, leicht über dem Vorjahr. Dennoch zeigten die Kommentare des Managements eine gewisse Vorsicht, insbesondere mit Blick auf steigende Beschaffungskosten und Volatilität in Asien.
Investoren deuten solche Zwischentöne als Signal: Die guten Zeiten könnten vorerst ihren Zenit erreicht haben. Dass die Aktie allein seit Jahresbeginn um über 25 Prozent gestiegen war, verstärkte den Abverkauf zusätzlich – Gewinnmitnahmen inklusive.
Stabilität ist kein Börsenmärchen
Levi Strauss ist eines jener Unternehmen, die ihre eigene Zeit überdauert haben – vom Goldrausch bis zur Streaming-Ära. Doch an den Finanzmärkten wird Nostalgie selten belohnt.
Das neue Management liefert, investiert, modernisiert – und wird dafür abgestraft. Vielleicht, weil die Erwartungen an eine Ikone immer größer sind als die Realität eines Textilkonzerns.
Wer die Marke trägt, sucht Beständigkeit. Wer die Aktie hält, sucht Rendite. Und im Moment bekommt nur einer von beiden, was er will.
