Wenn die Welt spart – und niemand hilft
Noch während WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf seine Rede hält, rechnet man intern bereits Stellen ab: Jeder fünfte Arbeitsplatz fällt weg, fast die Hälfte aller Abteilungen wird aufgelöst.
Die Weltgesundheitsorganisation steht mit dem Rücken zur Wand. Grund: ein drohendes Haushaltsloch von 1,7 Milliarden US-Dollar – verteilt über die kommenden zwei Jahre.
Was zunächst wie eine Buchhaltungsfrage klingt, ist in Wahrheit eine geopolitische Zäsur. Denn mit den Vereinigten Staaten und Argentinien ziehen sich gleich zwei wichtige Beitragszahler aus der WHO zurück.
Für die weltweit führende Institution in Fragen der globalen Gesundheitssicherheit ist das mehr als ein symbolischer Verlust: Es ist ein finanzieller Kontrollverlust – mit offenem Ausgang.
Die USA gehen, die WHO schrumpft
20 Prozent der WHO-Ausgaben entfielen bislang auf die USA. Mit dem Ausstieg Washingtons bricht das Rückgrat der Finanzierung weg. Bereits 2026 soll der Schritt offiziell wirksam werden – aber schon jetzt fließen keine Mittel mehr. Argentinien, unter der Regierung Milei, zieht ebenfalls die Reißleine.
Die Folge: Ein radikaler Sparkurs. Das Führungsteam der WHO wird halbiert, ganze Fachbereiche werden gestrichen. Auch prominente Köpfe wie Mike Ryan, während der Corona-Pandemie das Gesicht der WHO-Krisenkommunikation, verlassen die Organisation.
Bis zu 1.900 Stellen sollen weltweit abgebaut werden – ein Aderlass, der Wirkung zeigen wird. Besonders in den WHO-Büros in Afrika, Südostasien und Lateinamerika dürfte die Personaldecke gefährlich dünn werden.

Vergleich mit dem Militär – eine offene Kampfansage
„2,1 Milliarden Dollar pro Jahr – so viel gibt die Welt für Rüstungsgüter alle acht Stunden aus.“ Die Worte von WHO-Chef Tedros sind bewusst provokant gewählt. Sie zielen auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen sicherheitspolitischen Ambitionen und globaler Gesundheitsvorsorge.
Während in Militärhaushalten weiter aufgestockt wird, muss die zentrale Institution für Pandemievorsorge, Impfkampagnen und Gesundheitsmonitoring die Notbremse ziehen.
Was Tedros nicht sagt, aber mitschwingt: Die WHO ist geopolitisch unterfinanziert – und politisch isoliert. Neue freiwillige Beiträge aus Europa, etwa zehn Millionen Euro aus Deutschland, sind kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Pandemievertrag – ambitioniert, aber auf tönernen Füßen
Am Dienstag soll in Genf der lange geplante Pandemievertrag verabschiedet werden. Die Vision: Im Krisenfall soll es gerechter, koordinierter und transparenter zugehen. Keine Maskenkriege mehr, keine Impfstoffhortung in reichen Ländern, keine Schließung von Datenzugängen in Laboren.
Doch die Realität holt den Vertrag ein, noch bevor er unterschrieben ist. Denn die größte Baustelle – der geregelte Zugang zu Krankheitserregern und die faire Verteilung von Impfstoffen – wurde ausgelagert.
In einen Anhang, der bis heute nicht verhandelt ist. Es ist ein Vertragsgerüst ohne Fundament. Und während sich reiche Länder absichern, bleibt offen, wie und wann arme Länder tatsächlich profitieren werden.
Vertrauen kostet – und die WHO zahlt gerade drauf
Die Finanzierungskrise wirft nicht nur operative Fragen auf – sie trifft den Kern der WHO: ihre Legitimität. Wenn zentrale Mitgliedstaaten austreten oder Beiträge zurückhalten, schwächt das nicht nur die Organisation, sondern auch das multilaterale Vertrauen, das für globale Gesundheitskrisen essenziell ist.
Die WHO war nie ein Modell bürokratischer Perfektion – aber sie war immer der Versuch, internationale Gesundheitsstandards gemeinsam zu definieren. Wenn dieses Fundament wegbricht, droht mehr als ein Stellenabbau. Es droht der Rückfall in einen nationalen Flickenteppich – mit all den Konsequenzen, die man während der Corona-Pandemie erlebt hat.
Das könnte Sie auch interessieren:
