In Europa ist politisch etwas in Bewegung – und das gleich in drei Hauptstädten: Lissabon, Warschau und Bukarest. Während in Portugal die Anti-Establishment-Partei Chega mit einem historischen Ergebnis fast die Sozialisten einholt, geht Polen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Regierung und PiS zu.
Rumänien wiederum setzt ein letztes Stoppsignal gegen den politischen Rechtsruck – und wählt einen parteiunabhängigen Reformer ins Präsidentenamt.
Was bedeuten diese Wahlen – und was steckt wirklich dahinter?
1. Portugal: Chega will mitregieren – wird aber blockiert
Das Ergebnis in Portugal gleicht einem politischen Erdbeben: Die rechtspopulistische Partei Chega, deren Chef André Ventura sich gerne mit der spanischen Vox und der AfD vergleicht, holt bei der vorgezogenen Parlamentswahl rund 23 Prozent – genauso viel wie die regierenden Sozialisten, die auf das schlechteste Ergebnis seit 1985 stürzen.
Auf Platz 1 landet die konservative Demokratische Allianz (AD) mit knapp 33 Prozent. Doch obwohl die AD auf dem Papier stärkste Kraft ist, hat sie ein Problem: Sie schließt jede Zusammenarbeit mit Chega kategorisch aus. Das heißt: Keine regierungsfähige Mehrheit in Sicht.

Ventura selbst spricht vom „Ende des Zweiparteiensystems“ – und das ist faktisch nicht falsch. Noch vor fünf Jahren galt Chega als Außenseiter. Heute stellt sie 58 Abgeordnete – so viele wie die jahrzehntelang dominierenden Sozialisten. Politisch ist Chega europaskeptisch, migrationsfeindlich und fordert u.a. die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Viele Wählerinnen und Wähler stört das nicht. Im Gegenteil: Chega profitiert vom Vertrauensverlust in die alten Eliten und einem Klima politischer Frustration.
2. Polen: Alles offen – das war so nicht geplant
Im Nachbarland Polen war die Sache eigentlich klar: Der gemäßigte Kandidat Rafal Trzaskowski sollte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl einen komfortablen Vorsprung einfahren. Stattdessen bekommt er nur 30,8 Prozent – und wird fast von Karol Nawrocki, dem Kandidaten der nationalkonservativen PiS, eingeholt (29,1 Prozent).
Eine Überraschung, die auch die Bürgerplattform PO kalt erwischt.
Dazu kommt: Rechtsaußen-Kandidat Slawomir Mentzen von der Konfederacja landet mit 15,4 Prozent auf Platz 3 – und könnte in der Stichwahl zum Zünglein an der Waage werden. Der zweite Wahlgang ist für den 1. Juni angesetzt.
In Warschau wächst jetzt die Nervosität. Denn obwohl der Premierminister Donald Tusk nach seinem Wahlsieg 2023 auf eine klare Kurswende gehofft hatte, zeigt das Wahlergebnis: Der rechte Block ist noch da – und mobilisierbar.
Das Ergebnis in Polen zeigt, dass die politische Mitte zunehmend Mühe hat, Mehrheiten zu sichern – selbst in Ländern, die demokratisch wieder in der Spur schienen.
3. Rumänien: Rechter Simion gestoppt – doch die Krise bleibt
In Rumänien ist das Rennen entschieden – und es ist knapper ausgegangen, als viele erhofft hatten. Der rechtsradikale Kandidat George Simion verlor zwar die Stichwahl um das Präsidentenamt mit 46,1 Prozent, konnte aber die erste Runde gewinnen und inszenierte sich zunächst sogar als „Sieger der Herzen“. Am Ende räumte er auf Facebook kleinlaut seine Niederlage ein.
Gewählt wurde Nicusor Dan, parteilos, Mathematiker, früher Antikorruptionsaktivist, derzeit Bürgermeister von Bukarest. Ein Kandidat des demokratischen Lagers – aber auch ein erklärter Gegner des politischen Establishments. Denn genau das war in Rumänien ebenfalls unter Druck geraten.
Der Hintergrund: Die Präsidentschaftswahl vom Herbst 2024 war vom Verfassungsgericht annulliert worden, nachdem es Hinweise auf russische Wahlmanipulation gegeben hatte. Das Vertrauen in demokratische Verfahren ist seither erschüttert – und Simion konnte daraus Kapital schlagen.
Für Europa ist die Wahl Dans ein positives Signal – doch Rumänien bleibt politisch fragil. Der Wahlsieg war kein Votum für das Establishment, sondern gegen den radikaleren Gegner.
Was bedeutet das für Europa?
Drei Länder, drei Dynamiken – doch ein gemeinsamer Nenner: Die politische Mitte wackelt, der rechte Rand wächst – und Populisten gewinnen an Reichweite. Was in Portugal bereits Realität ist, steht in Polen bevor und wurde in Rumänien gerade noch abgewendet.
Für Brüssel heißt das: Die Europäische Union muss sich strategisch neu sortieren – gerade mit Blick auf die EU-Parlamentswahlen im Juni 2026. Dass radikale Rechte inzwischen auf 20 bis 25 Prozent kommen können, ist kein nationales Phänomen mehr. Es ist ein europäisches.
Die Frage ist nicht mehr, ob Populisten an der Macht beteiligt werden – sondern wann und unter welchen Bedingungen.
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