19. Juli, 2025

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Rechtsruck am Polarkreis: Warum sich fast jeder zweite Finne als konservativ sieht

In Finnland stuft sich eine Mehrheit der Bürger inzwischen als rechts ein – und das in einem Land, das lange als sozialdemokratische Bastion galt. Eine neue Studie zeigt: Die politische Mitte schrumpft, und die Vielfalt innerhalb der Rechten wächst.

Rechtsruck am Polarkreis: Warum sich fast jeder zweite Finne als konservativ sieht
Linke in der Defensive: Nur noch 31 % der Finnen fühlen sich dem linken Spektrum zugehörig. Während die politische Rechte wächst, verliert die Linke an Rückhalt – vor allem unter älteren und männlichen Wählern.

Der Mythos der finnischen Mitte bröckelt

49 Prozent der Finnen bezeichnen sich selbst als politisch rechts, nur 31 Prozent sehen sich als links, der Rest siedelt sich in der politischen Mitte an – oder besser gesagt: siedelte sich dort an.

Denn die neue Umfrage des Think-Tanks Finnish Business and Policy Forum (EVA) markiert einen deutlichen Bruch mit dem lange geltenden Selbstverständnis der Finnen als pragmatische Zentristen. Die politische Mitte, die lange das Rückgrat der finnischen Konsensdemokratie bildete, ist im Begriff, sich aufzulösen.

Eine Rechte mit vielen Gesichtern

Was auffällt: Die finnische Rechte ist keineswegs homogen. Laut EVA lassen sich die Befragten in vier große Lager einteilen: 24 Prozent sind linksliberal, 22 Prozent rechtsliberal, 18 Prozent rechtskonservativ. 32 Prozent vertreten gemischte oder zentristische Positionen.

Nur 5 Prozent verorten sich als linkskonservativ. Der Rest: diffus, aber mehrheitlich mit klarer rechter Schlagseite.


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Auffällig ist vor allem die zunehmende Ausdifferenzierung der Rechten. Mikko Laakso von EVA erklärt: "Die Rechte vereint heute Konservative wie Liberale, das macht sie anschlussfähiger für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen." In der linken Ecke hingegen dominieren liberale Ideen, konservative linke Positionen sind marginalisiert.

Liberale Werte, rechte Selbstverortung

Ein Widerspruch? Nicht unbedingt. 52 Prozent der Befragten verstehen sich als liberal, nur 24 Prozent als konservativ. Dennoch steigt die Zahl derjenigen, die sich politisch als "rechts" einordnen.

Gerade unter gebildeten, jüngeren Frauen herrscht eine liberale Grundhaltung – doch auch hier ist eine Polarisierung spürbar. Die Zeit der politischen Mitte scheint vorbei.

Regieren mit Unzufriedenheit

Seit 2023 regiert in Helsinki eine bunte Rechtskoalition: Die liberalkonservative Nationale Sammlungspartei, die nationalistischen "Wahren Finnen", die Christdemokraten und eine Kleinpartei der schwedischen Minderheit teilen sich die Macht.

Doch die Regierungsbilanz bleibt dünn. Die wirtschaftspolitischen Pläne stoßen auf Kritik, das Vertrauen in die Regierung ist laut Umfragen eher schwach ausgeprägt.

Was der Rechtsruck bedeutet

Der Wandel in der politischen Selbstwahrnehmung der Finnen ist Ausdruck eines größeren Trends in Europa: Die klassische Links-Rechts-Achse wird brüchig, identitäre Fragen, Migrationsdebatten und die Unsicherheit in einer globalisierten Welt verändern politische Zugehörigkeit.

In Finnland kristallisiert sich dabei ein neues Muster heraus: eine Rechte, die sich selbstbewusst und in vielen Schattierungen zeigt – während die Linke weiter an Boden verliert.

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