Wenn Friedensgespräche zum Schauplatz werden
Der Vorschlag kam aus Moskau – doch derjenige, der ihn machte, bleibt dem eigenen Plan fern. Wladimir Putin, Initiator eines Treffens in der Türkei über mögliche Schritte zur Deeskalation im Ukraine-Krieg, verzichtet demonstrativ auf seine Teilnahme.
Mit ihm zieht auch US-Präsident Donald Trump zurück. Was als diplomatischer Hoffnungsschimmer gedacht war, zerfällt noch bevor die Gespräche beginnen – unter der Last von Symbolpolitik, Misstrauen und persönlichen Eitelkeiten.
Auf der Gästeliste Moskaus steht stattdessen ein Mann, der für vieles steht – nur nicht für Friedensbereitschaft: Wladimir Medinski, Putins langjähriger Kulturideologe und historischer Geschichtsumschreiber, soll Russland vertreten.
Ein Mann, der Geschichte weniger als Wissenschaft denn als politisches Werkzeug begreift. Allein seine Entsendung ist ein deutliches Signal: Dialog ja – aber zu russischen Bedingungen.
Trumps Kurs: Rückzug nach Putins Absage
Auch aus Washington kam ein Rückzieher. Nachdem klar war, dass Putin nicht nach Istanbul reisen würde, verzichtete auch Donald Trump auf seine Teilnahme.
Laut US-Medien habe sich der Präsident „getäuscht“ gefühlt – man habe in seiner Umgebung mit einem persönlichen Treffen gerechnet, gar mit einer Bühne für Trumps inszenierte Vermittlungsrolle. Stattdessen bleiben nur Unterhändler zurück.
Dass Trump ausgerechnet durch die Absage Putins abspringt, wirft Fragen auf: Ist er wirklich Vermittler – oder doch zu stark in das geopolitische Spiel des Kremls verwickelt, um glaubwürdig Druck aufzubauen?
Selenskyj reist trotzdem – und steht alleine da
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Reise dennoch angetreten. Ob nach Ankara oder Istanbul – noch ist unklar, ob überhaupt Vertreter der Gegenseite physisch präsent sein werden.
Die Bilder dieser Konferenz, sollten sie entstehen, könnten am Ende mehr sagen als Worte: Ein Präsident, der bereit ist, zu reden. Und zwei Machtzentren – Moskau und Washington – die durch Abwesenheit demonstrieren, wie weit Friedensbereitschaft aktuell wirklich reicht.

Dabei hatte Selenskyj noch öffentlich gefordert, Putin solle anreisen, „wenn er keine Angst hat“. Stattdessen bekommt er eine Delegation aus Generalstab, Propagandaapparat und Ministerialbürokratie.
Medinski: Der Mann, der Geschichte umschreibt
Wladimir Medinski ist nicht irgendein Delegationsmitglied. Er ist das Gesicht eines neuen russischen Nationalismus. Als Präsidentenberater war er federführend an der Umschreibung russischer Schulbücher beteiligt, in denen die Ukraine wahlweise als historisches Randgebiet oder westlich gesteuerte Fehlentwicklung dargestellt wird.
In Fachkreisen gilt er als Ideologe ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Standards – als jemand, der Narrative schafft, nicht Realitäten anerkennt.
Seine Entsendung zu einem Friedensgespräch wirkt wie ein Affront – nicht nur gegenüber der Ukraine, sondern auch gegenüber den westlichen Vermittlern, die auf Substanz hofften.
Das politische Kalkül hinter der Inszenierung
Dass weder Putin noch Trump erscheinen, ist kein Zufall. Es ist Teil eines politischen Spiels, das mehr auf Deutungshoheit als auf Dialog abzielt.
Putin vermeidet das Bild eines Treffens mit einem „nicht legitimen“ ukrainischen Präsidenten – ein Narrativ, das seit Jahren in russischen Medien kultiviert wird. Und Trump, ohnehin kein Freund komplexer Verhandlungen, bleibt lieber fern, wenn sich keine Showbühne bietet.
Das lässt vor allem eines zurück: eine diplomatische Leerstelle, gefüllt mit Symbolhandlungen, aber ohne echte Annäherung.
Europas Einfluss schwindet
Während Deutschland, Frankreich, Polen und Großbritannien zuletzt geschlossen mehr Druck auf Moskau ausübten und mit neuen Sanktionen drohten, bleibt die europäische Rolle in Istanbul marginal.
Gastgeber Erdogan spielt zwar erneut den Vermittler – doch sein Einfluss ist begrenzt. Die eigentlichen Machtzentren lassen ihn dieses Mal weitgehend allein. Europa droht erneut zum Zuschauer degradiert zu werden – ohne strategisches Gewicht.
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