16. Juli, 2025

Finanzen

Robinhoods Gratis-Anteile an OpenAI und SpaceX entpuppen sich als PR-Nebelkerze

Der US-Neobroker ködert europäische Kunden mit angeblicher Beteiligung an zwei der begehrtesten Unternehmen der Welt – doch weder OpenAI noch SpaceX haben jemals Aktien an Privatanleger ausgegeben.

Robinhoods Gratis-Anteile an OpenAI und SpaceX entpuppen sich als PR-Nebelkerze
Was wie ein Geschenk wirkt, ist in Wahrheit ein Token-Konstrukt ohne Unternehmensbezug – Anleger schauen in die Röhre.

Wer derzeit die Website von Robinhood Europe besucht, liest Großes: Gratis-Token für neue Kunden – angeblich Anteile an OpenAI und SpaceX, zwei Ikonen des Silicon Valley.

Versprochen werden „tokenisierte Aktien“ im Wert von fünf Euro. Doch wer sich die Mühe macht, die Fußnoten zu lesen – und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen –, entdeckt eine Wirklichkeit, die mit echter Unternehmensbeteiligung wenig zu tun hat.

Quelle: Eulerpool

Kein Börsengang, keine Aktien, kein Zugriff

Denn weder die KI-Firma OpenAI noch das Raumfahrtunternehmen SpaceX sind börsennotiert. Beide haben bislang keine frei handelbaren Aktien emittiert – und sie haben auch keinerlei Geschäftsbeziehung mit Robinhood.

Das bestätigte ein Sprecher von OpenAI umgehend nach Bekanntwerden des Angebots:

„Wir haben nichts mit dieser Aktion zu tun.“

Auf der Plattform X warnte das Unternehmen eindringlich vor einem möglichen Missverständnis: „Bitte seid vorsichtig.“

Auch SpaceX äußerte sich distanziert. Und das ist bemerkenswert – denn Elon Musk selbst ist für gewöhnlich nicht zimperlich, wenn es darum geht, aggressive Vertriebskanäle zu verteidigen.

Litauen reagiert – Robinhood unter europäischer Beobachtung

Die Finanzaufsicht der EU ist alarmiert. Da Robinhood seine europäische Expansion über eine Lizenz der litauischen Zentralbank abwickelt, laufen die ersten Untersuchungen in Vilnius.

Ein Sprecher der Aufsicht betonte: „Wir erwarten umfassende Klarstellungen zur Funktionsweise dieses Token-Angebots.“ Es gehe um Verbraucherschutz, Transparenz und potenziell irreführende Kommunikation.

Tatsächlich bleibt unklar, wie Robinhood diese Token rechtlich strukturiert. In den Geschäftsbedingungen wird lediglich auf eine „wirtschaftliche Nachbildung des Werts hypothetischer Anteile“ verwiesen. Anleger erhalten also keine echten Aktien – sondern ein digitales Zertifikat, das den Eindruck vermittelt, als wäre es eine Aktie.

Robinhoods Spiel mit der Illusion

Der Marketing-Coup wirkt wie ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie sich Aufmerksamkeitsökonomie und Grauzonen der Regulierung im Kryptozeitalter treffen. Die versprochenen Token sind rechtlich gesehen keine Wertpapiere, sondern eher Prepaid-Punkte mit Firmenlogo. Und sie können auch nicht an echte Aktien umgewandelt werden.

Cannes statt Compliance: Robinhoods PR-Show vor der Riviera wirft rechtliche Fragen auf – besonders in Europa.

Trotzdem zündete der Trick: Innerhalb weniger Tage stieg der Börsenwert von Robinhood um rund neun Milliarden US-Dollar.

CEO Vlad Tenev präsentierte die Kampagne in Cannes wie einen Hollywood-Blockbuster – auf dem historischen Anwesen Château de La Croix des Gardes, einst Drehort für Hitchcocks Klassiker „Über den Dächern von Nizza“. Weiße Anzüge, Blitzlichtgewitter, Visionen – doch die Substanz dahinter ist dünn.

Das Muster ist bekannt – und wiederholt sich

Für Branchenbeobachter kommt der Trick nicht überraschend. Robinhood hat seit der Pandemie mehrfach durch grenzwertige Marketingaktionen auf sich aufmerksam gemacht – sei es mit Gratis-Aktien, Meme-Stock-Feuerwerken oder dem systematischen Gamification-Design der App. Doch diesmal hat der Broker womöglich überzogen.

Insbesondere die Kombination aus nicht börsennotierten Unternehmen, einem spekulativen Token-Konstrukt und dem gezielten Ansprechen europäischer Kunden könnte juristisch brisant werden.

Die EU arbeitet ohnehin an einer strengeren Regulierung für sogenannte „Asset-Backed Tokens“. Robinhood könnte zum ersten prominenten Testfall werden.

Was Anleger wissen müssen

Die wichtigste Erkenntnis: Wer sich bei Robinhood registriert, erhält keine echten OpenAI- oder SpaceX-Anteile. Die Token sind rechtlich gesehen weder Aktien noch Schuldverschreibungen. Sie bieten keinerlei Stimmrecht, keinen Anspruch auf Dividende – und beruhen auf einem Wert, der völlig intransparent berechnet wird.

Zudem ist offen, wie Robinhood die Token finanziert, wie liquide sie sind und ob es einen fairen Marktpreis gibt. Das alles bleibt nebulös – und wäre bei klassischen Wertpapieren undenkbar.

Und am Ende bleibt: Vertrauen ist kein Geschäftsmodell

Mit dieser Aktion hat Robinhood erneut bewiesen, wie leicht sich Hype, Halbwahrheiten und regulatorische Schlupflöcher in ein PR-Feuerwerk verwandeln lassen. Doch die Kritik wächst – nicht nur bei Aufsichtsbehörden, sondern auch in der Branche selbst.

Ein echter Neobroker mit Ambitionen in Europa müsste mehr bieten als schillernde Versprechen. Er müsste Vertrauen aufbauen, Seriosität beweisen, Klartext reden. Robinhood hat sich dagegen für einen anderen Weg entschieden – den des maximalen Marketings mit minimaler Transparenz.

Ob dieser Kurs langfristig aufgeht? Die Kunden – und womöglich bald auch die Gerichte – werden es entscheiden.

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