10. August, 2025

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Machtspiele in Washington – und die Wall Street zuckt nicht

Trump feuert die Chefin der Statistikbehörde, greift offen nach der Fed – doch die Finanzmärkte bleiben erstaunlich ruhig. Eine gefährliche Gleichgültigkeit macht sich breit.

Machtspiele in Washington – und die Wall Street zuckt nicht
Trump auf Konfrontationskurs mit der Statistik: Der Rauswurf der BLS-Chefin nach schwachen Arbeitsmarktzahlen zeigt, wie direkt Trump in staatliche Berichterstattung eingreift.

Zwei Schlüsselpositionen, eine Agenda

Donald Trump hat erneut zwei zentrale Machtstellen ins Visier genommen: das Bureau of Labor Statistics (BLS), das für die Arbeitsmarktdaten der USA zuständig ist, und die Federal Reserve, Hüterin der amerikanischen Geldpolitik. Beide Institutionen stehen für Stabilität, Unabhängigkeit – und sind in den Augen Trumps vor allem eines: im Weg.

Am vergangenen Freitag feuerte der Präsident die Leiterin des BLS, Erika McEntarfer, nachdem diese schwache Arbeitsmarktzahlen veröffentlichen ließ. Gleichzeitig bereitet Trump offenbar eine Rochade bei der Fed vor.

Nach dem angekündigten Rücktritt von Fed-Gouverneurin Adriana Kugler bekommt er die Chance, den geldpolitischen Kurs der Notenbank nachhaltig zu beeinflussen – möglicherweise sogar über die Nachfolge von Jerome Powell hinaus.

Der Angriff auf die Institutionen ist real

Was früher ein handfester Skandal gewesen wäre, wird inzwischen routiniert zur Kenntnis genommen. Weder der Rauswurf bei der Statistikbehörde noch Trumps ständige Attacken auf die Fed haben an den Börsen nennenswerte Turbulenzen ausgelöst. Und das, obwohl es um das Fundament jeder fundierten Marktanalyse geht: belastbare Daten und eine unabhängige Geldpolitik.

Die Glaubwürdigkeit des BLS ist zentral für Investoren, Ökonomen, Unternehmen. Wer die veröffentlichten Zahlen nicht mehr für neutral hält, kann ganze Modelle und Entscheidungen infrage stellen. Bei der Fed ist die Lage noch brisanter: Wer die Notenbank politisch unterwandert, sägt an der Grundidee moderner Geldpolitik.

Die Märkte ignorieren das – noch

Dass die Finanzmärkte auf diese Vorgänge kaum reagieren, lässt sich durch zwei gegenläufige Effekte erklären – beide gehen von Trump aus.

Märkte reagieren nicht – ein Warnsignal? Trotz institutioneller Eingriffe bleibt die Wall Street gelassen. Experten sehen darin kein Zeichen von Stärke, sondern von Abstumpfung.

Einerseits gibt es einen echten Vertrauensverlust. Wer Daten manipuliert oder Einfluss auf Zinsen nehmen will, gefährdet die Stabilität. Das wäre normalerweise der Stoff, aus dem Kursstürze gemacht sind. Andererseits ist da ein Effekt, den man bei Autokraten kennt – aber selten bei US-Präsidenten: Gewöhnung.

Seit Jahren überschreitet Trump politische Konventionen, doch der große Knall bleibt oft aus. Die Börse hat gelernt: Viele seiner Drohungen verlaufen im Sand. Es ist ein gefährlicher Mechanismus – denn er wiegt Investoren in falscher Sicherheit.

Gefahr durch schleichende Entwertung

Die systematische Delegitimierung unabhängiger Institutionen hat nicht sofort sichtbare Folgen. Die Zinsentscheidung der Fed ändert sich nicht über Nacht, die nächste BLS-Statistik erscheint pünktlich.

Doch das Vertrauen schwindet schrittweise. Es entsteht ein Nebel aus Unsicherheit: Kann man den Zahlen trauen? Werden Zinsen bald nach politischem Gutdünken festgelegt?

Das Risiko: Wenn Marktteilnehmer beginnen, offizielle Daten nur noch mit Vorsicht zu betrachten, geraten auch Kapitalflüsse, Inflationsprognosen und Unternehmensbewertungen ins Wanken. Und wenn Investoren den Eindruck gewinnen, die US-Geldpolitik werde zum Spielball der Regierung, verlieren auch Dollar-Anleihen an Attraktivität.

Erinnerung an die Türkei

Das Beispiel Türkei 2023 zeigt, wohin politische Einflussnahme auf Zentralbanken führen kann. Präsident Erdoğan ersetzte mehrfach den Notenbankchef, zwang die Institution zu Zinssenkungen wider ökonomische Vernunft – mit dramatischen Folgen. Die Lira verlor massiv an Wert, ausländisches Kapital floh, das Vertrauen war zerstört.

In den USA ist man von solchen Zuständen noch weit entfernt. Doch wenn selbst die nominell stärkste Wirtschaft der Welt beginnt, neutrale Instanzen politisch umzubauen, geraten die Grundfesten des Finanzsystems ins Wanken. Und die Märkte? Reagieren bisher mit Schulterzucken.

Eine Wette, die schnell kippen kann

Die aktuelle Ruhe der Märkte basiert auf der Annahme, dass Trump berechenbar bleibt – und seine Entscheidungen moderat ausfallen. Doch genau diese Kalkulation hat sich schon einmal als Fehleinschätzung erwiesen.

2016 hofften Investoren auf einen wirtschaftsfreundlichen, pragmatischen Präsidenten. Wenige Monate später startete er einen globalen Zollkonflikt.

Nun droht eine Wiederholung – nur subtiler, mit dem Umbau von Institutionen und der Erosion von Glaubwürdigkeit. Das Risiko ist längst eingepreist. Aber es wird unterschätzt.

Trumps Kurs ist kalkuliert – und gefährlich

Während Donald Trump seinen Einfluss auf die US-Wirtschaftsarchitektur weiter ausbaut, schlafen die Märkte scheinbar ruhig weiter. Dabei steht nicht weniger auf dem Spiel als das Vertrauen in Daten, Zinsen und den Dollar selbst. Die wahre Gefahr liegt nicht in der Empörung – sondern in ihrer Abwesenheit.

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