Zweiter Rückzieher in wenigen Tagen
Es hätte ein Börsendebüt mit Strahlkraft werden sollen. Brainlab, einer der führenden Medizintechnikanbieter Europas, wollte sich am 3. Juli an der Frankfurter Börse listen lassen.
Zwei Millionen neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung, bis zu 3,2 Millionen aus Altaktionärsbeständen – die Bewertung: bis zu 2,1 Milliarden Euro. Doch nun die Rolle rückwärts. Nur zwei Tage vor dem geplanten Handelsstart verschickt das Unternehmen eine knappe Mitteilung: Der Börsengang ist abgesagt. Einen Grund nennt Brainlab nicht.
Es ist der zweite Rückzieher in wenigen Tagen. Schon Autodoc, ein Berliner E-Commerce-Schwergewicht für Autoersatzteile, hatte sein IPO überraschend auf Eis gelegt. Innerhalb einer Woche sind damit zwei potenzielle Hoffnungsträger des deutschen Kapitalmarkts aus dem Spiel – und lassen eine Branche ratlos zurück.
Ein Unternehmen mit Profil
Gegründet 1989 von Stefan Vilsmeier, ist Brainlab heute einer der Hidden Champions der deutschen Medizintechnik. Mit rund 1.800 Mitarbeitenden entwickelt das Unternehmen Softwarelösungen für bildgestützte Chirurgie, Strahlentherapie und die digitale Planung komplexer Eingriffe.
In der Fachwelt genießt Brainlab seit Jahren einen hervorragenden Ruf. In der Öffentlichkeit hingegen ist die Firma bisher weitgehend unter dem Radar geflogen.

Die Entscheidung, an die Börse zu gehen, wurde daher mit Spannung beobachtet – nicht zuletzt, weil das Unternehmen damit nicht nur Kapital einsammeln, sondern auch seine Sichtbarkeit am Markt erhöhen wollte.
Mit dem Erlös sollten neue Geschäftsfelder erschlossen, internationale Expansion finanziert und neue Kliniklösungen entwickelt werden. Die Standortwahl – Frankfurt statt New York oder Nasdaq – galt zudem als Bekenntnis zum Finanzplatz Deutschland.
Zu viel Unsicherheit für zu wenig Fantasie?
Dass das IPO nun so kurzfristig abgesagt wurde, wirft Fragen auf. Denn an der operativen Entwicklung von Brainlab liegt es kaum. Die Technologie gilt als ausgereift, die Kundenstruktur ist stabil, die Anwendung hochspezialisiert und international gefragt.
Wahrscheinlicher ist: Die Kapitalmärkte spielen nicht mit. Die Kombination aus geopolitischen Spannungen, hoher Zinslage, schwacher Konjunktur in Europa und zunehmender Börsenskepsis hat zuletzt mehrere Börsenkandidaten zögern lassen. Der Enthusiasmus institutioneller Anleger für deutsche Mittelständler ist spürbar abgekühlt. Hohe Bewertungen lassen sich aktuell schwer durchsetzen.
Auch Autodoc hatte vor wenigen Tagen seine Pläne für ein IPO auf Eis gelegt – ebenfalls kurz vor Start, ebenfalls ohne offizielle Begründung. Inoffiziell war von „ungenügendem Interesse“ die Rede. Bei Brainlab dürfte das Bild ähnlich sein.
Die Preisfrage: 100 Euro pro Aktie?
Geplant war eine Preisspanne von 80 bis 100 Euro je Aktie – ambitioniert für ein Unternehmen, das zwar stark in der Nische positioniert ist, aber noch kaum Kapitalmarkterfahrung hat. Mit der geplanten Bewertung zwischen 1,67 und 2,09 Milliarden Euro hätte Brainlab in etwa auf dem Niveau der börsennotierten Drägerwerke gelegen – bei deutlich unterschiedlichem Geschäftsmodell.
Gerade bei wachstumsorientierten Tech- oder Medizintechnikfirmen ist die Kommunikation entscheidend. Doch hier blieb Brainlab auffallend zurückhaltend. Der Kapitalmarkt wurde eher nüchtern bedient. Keine Roadshow-Euphorie, keine mediale Inszenierung. Stattdessen: Technokratie im Ton, Präzision in der Aussage – aber zu wenig Story für die Investorenwelt.
Frankfurt wartet weiter auf ein IPO-Signal
Für den Finanzplatz Frankfurt ist die Absage ein weiterer Rückschlag. Schon 2024 war arm an nennenswerten Börsendebüts geblieben. Auch international ist die IPO-Landschaft ausgedünnt. Nur in wenigen Einzelfällen – etwa bei Technologiewerten mit hohem Momentum oder bei US-Börsengängen – ist aktuell Bewegung zu beobachten. Europa? Bleibt defensiv.
Brainlab hätte ein Signal sein können, dass deutsche Technologieunternehmen auch unter schwierigen Marktbedingungen Kapital einsammeln können – und wollen. Doch daraus wird vorerst nichts. Die Botschaft: Selbst etablierte, wachstumsstarke Mittelständler zögern.
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