17. Juli, 2025

Finanzen

Influencer im Visier – Die Steuerfahnder schlagen zurück

Influencerinnen und Influencer sollen allein in NRW rund 300 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben. Die Landesbehörde LBF jagt nun mit einem eigenen Spezialteam gezielt die „großen Fische“ – und setzt neue Maßstäbe im Kampf gegen eine Branche, die sich allzu lange unantastbar fühlte.

Influencer im Visier – Die Steuerfahnder schlagen zurück
Dubai statt Düsseldorf: Die Golfmetropole gilt als Hotspot für deutsche Influencer – nicht wegen der Sonne, sondern wegen der Steuerfreiheit.

Dubai statt Düsseldorf: Wenn Likes zur Steuerlücke werden

Die Influencer-Szene präsentiert sich gerne als schillerndes Gegenmodell zur klassischen Karriere. Luxusreisen, Werbedeals, Millionenreichweite. Doch hinter der glitzernden Oberfläche wächst eine Schattenwirtschaft, die dem Fiskus offenbar jährlich hunderte Millionen entzieht.

Allein in Nordrhein-Westfalen stehen aktuell rund 200 Verfahren gegen Content-Creator im Raum – der vermutete Steuerschaden: über 300 Millionen Euro.

Was früher in halbseidenen Telegram-Gruppen mit Krypto-Wallets und Affiliate-Links begann, hat sich längst professionalisiert – inklusive eigens gegründeter Briefkastenfirmen, Steuerverlagerungen ins Ausland und professioneller Verschleierungstaktiken.

Besonders beliebt: Dubai, wo weder Einkommensteuer fällig wird noch deutsche Finanzämter direkten Zugriff haben.

Das Influencer-Team – NRW baut erste Spezialeinheit

Ein Novum in der Bundesrepublik: Seit Anfang 2025 operiert das neu geschaffene Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) mit einer eigenen Abteilung nur für Social-Media-Stars. Ausgewertet werden dort 6000 Datensätze von Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube – mit Fokus auf systematische Verstöße.

Behördenleiterin Stephanie Thien spart nicht mit klaren Worten:

„Hier geht es nicht um Teenager mit Rabattcodes – wir reden von krimineller Energie im sechs- bis siebenstelligen Bereich.“
Steuerbetrug per Swipe: Werbe-Storys auf Instagram verschwinden nach 24 Stunden – die Finanzbehörden müssen neue digitale Ermittlungsmethoden entwickeln.

Keine Steuernummer, aber fünfstelliger Monatsumsatz

Ein wiederkehrendes Muster: Influencerinnen und Influencer mit massiven Einnahmen, aber ohne jegliche Anmeldung beim Finanzamt. In vielen Fällen gibt es nicht einmal eine Steuernummer, obwohl Werbepartner und Marken im Hintergrund bereits vertraglich kooperieren.

Besonders schwer nachweisbar sind Deals über Stories oder Live-Videos, die nach 24 Stunden verschwinden – und so steuerlich nicht dokumentiert sind. NRW entwickelt nun eigene digitale Tools zur Beweisführung, die bundesweit als Vorbild gelten.

Systemversagen oder digitale Naivität?

Was sich derzeit abspielt, ist mehr als eine Randnotiz im Steuerstrafrecht. Es zeigt ein tiefes strukturelles Problem: Der deutsche Staat war lange nicht vorbereitet auf eine Wirtschaft ohne Grenzen und ohne Büros, in der Millionenbeträge per Swipe verschoben werden.

200 laufende Verfahren – Tendenz steigend: Die neu gegründete NRW-Behörde LBF hat ein eigenes „Influencer-Team“ gebildet, um gezielt digitale Einnahmequellen zu verfolgen.

Die Influencer nutzen das Vakuum – manche aus Unwissen, viele mit Vorsatz. Die Folge: ein gefährlicher Präzedenzfall, der Vertrauen in die Steuerfairness untergräbt.

Justiz auf dem Rückstand – doch das ändert sich jetzt

Noch 2022 war Steuerhinterziehung bei Influencern ein Randthema. Heute ist es ein steuerpolitischer Brennpunkt – mit Ermittlungen in mehreren Bundesländern und vermutlich überregionalem Milliardenvolumen.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk bringt es auf den Punkt: „Steuerhinterziehung findet überall dort statt, wo viel Geld verdient wird. Es geht um Gerechtigkeit.“ Die Frage ist: Wer klickt schneller – die Staatsmacht oder die nächste Story?