13. Juni, 2025

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Guyana füttert sich selbst – und den Rest der Welt?

Nur ein einziges Land auf diesem Planeten kann sich laut einer neuen Studie komplett selbst ernähren. Es liegt nicht in Europa, nicht in Asien, nicht in Nordamerika – sondern an der Atlantikküste Südamerikas. Warum ausgerechnet Guyana zum globalen Ernährungswunder wurde.

Guyana füttert sich selbst – und den Rest der Welt?
Ein globaler Sonderfall: Guyana ist das einzige Land der Welt, das alle sieben für eine gesunde Ernährung relevanten Lebensmittelgruppen selbst produziert – ein Luxus, den Industrienationen längst verloren haben.

Guyana, 800.000 Einwohner, tropisches Klima, kaum Industrie. Was nach vergessener Randnotiz der Globalisierung klingt, ist in Wahrheit die Ausnahme, die den Zustand der Welt entlarvt.

Laut einer international beachteten Studie der Universitäten Edinburgh und Göttingen ist Guyana das einzige Land auf der Welt, das alle sieben zentralen Lebensmittelgruppen in ausreichender Menge für seine gesamte Bevölkerung produziert.

Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Milch, stärkehaltige Lebensmittel, Hülsenfrüchte – und sogar Nüsse und Samen.

Ein Selbstversorger im Zeitalter der globalen Abhängigkeit

Insgesamt 186 Staaten wurden untersucht. Das Ergebnis: Mehr als ein Drittel schafft es nur, eine oder zwei der sieben Gruppen ausreichend zu erzeugen. Deutschland kommt immerhin auf drei.

China und Vietnam liegen mit sechs Gruppen an der Spitze des Rests. Doch nur Guyana hält der Globalisierung den Spiegel vor. Wo andere auf weltweite Lieferketten angewiesen sind, genügt sich dieses kleine Land selbst.

Was macht den Unterschied? Erstens: fruchtbares Land und stabile Niederschläge. Zweitens: Zugang zu Süß- und Salzwasserfischerei. Drittens: Ein verhältnismäßig niedriger Eigenbedarf durch die kleine Bevölkerung. Was wie eine Banalität klingt, wird im Ernstfall zum Standortvorteil.

Die Weltwirtschaft hat ein Ernährungsproblem

Die Studie im Fachjournal "Nature Food" enthüllt ein strukturelles Versagen: Selbst die wirtschaftsstärksten Regionen der Erde – Nordamerika, die EU, Ostasien – sind bei zentralen Lebensmitteln auf Drittländer angewiesen.

Weder die USA noch die EU können ihre Bevölkerung ohne Importe mit Gemüse, Obst und Nüssen versorgen.

Noch dramatischer ist das Bild in Regionen mit extremem Klima oder politischer Instabilität: In sechs Staaten, darunter Afghanistan, Katar, die VAE und der Jemen, kann nicht einmal eine einzige der sieben Produktgruppen komplett autark bereitgestellt werden.

Der Golf-Kooperationsrat deckt immerhin den Eigenbedarf an Fleisch – doch beim Rest sieht es dürftig aus.

Warum Autarkie zur geopolitischen Waffe wird

In einer Welt zunehmender Lieferkettenrisiken, Handelskriege und klimatischer Instabilität wird Ernährungssouveränität zur strategischen Ressource.

Die „Dekade der Sicherheit“ – so nennen Politikwissenschaftler das beginnende Jahrzehnt – betrifft nicht nur militärische Verteidigung und Energiefragen, sondern auch die Frage: Wer füttert wen?

Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist kein Selbstläufer. Und Trumps neue Zollpolitik zeigt, wie fragil Handelsstrukturen geworden sind. Wenn Staaten wie die USA gleichzeitig Importe beschränken und nicht in der Lage sind, selbst vollständig zu produzieren, steigt der Preis für gesunde Ernährung. Und mit ihm das soziale Ungleichgewicht.

Was Deutschland aus Guyana lernen könnte

Deutschland zählt bei Milch, Fleisch und Getreide zu den Selbstversorgern. Doch bei Gemüse, Früchten, Fisch und Nüssen sieht es schlecht aus. Lange Lieferketten, Spezialisierung, Effizienzlogik – sie alle sorgen dafür, dass Supermärkte jederzeit alles bieten. Aber die Illusion der ständigen Verfügbarkeit bricht im Krisenfall schnell zusammen.

Klimatische Bedingungen lassen sich nicht kopieren. Doch ein strategischer Umbau der Landwirtschaft, der weniger auf Export und mehr auf Versorgungssicherheit setzt, wäre möglich. Das Beispiel Guyana zeigt: Man muss kein Agro-Imperium sein, um sich selbst zu ernähren. Nur konsequent.

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