Ein Schritt, der alles verändert
Frankreich macht ernst. Emmanuel Macron hat angekündigt, Palästina als Staat anzuerkennen. Damit ist Frankreich das erste westliche Land mit Vetorecht im UN-Sicherheitsrat, das diesen Schritt geht. Und es ist ein Schritt, der nicht nur in Israel, sondern auch in Berlin und Washington wie ein Warnsignal wirkt.
Während Deutschland, Großbritannien und die USA weiter an der Formel festhalten, Anerkennung sei nur das Ergebnis eines Friedensprozesses, dreht Macron die Reihenfolge um. Frieden durch Anerkennung – das ist die neue Logik.
Nicht nur Symbolpolitik
Auf den ersten Blick mag das wie ein symbolischer Akt wirken. Tatsächlich aber hat die Entscheidung klare politische und rechtliche Folgen. Wer Palästina als Staat anerkennt, verändert die Spielregeln – etwa im Umgang mit internationalen Gerichten wie dem Strafgerichtshof in Den Haag. Dort hat Palästina längst einen Sitz am Tisch. Nun bekommt es Rückendeckung von einem gewichtigen Partner.
Dass Frankreich diesen Schritt allein geht, ist kein Zufall. Es ist auch eine strategische Geste: Macron will Bewegung in einen festgefahrenen Konflikt bringen – und er signalisiert, dass er bereit ist, politische Risiken einzugehen.

Eine Botschaft an Israel – und an Riad
Interessant ist auch, wie Macron seine Entscheidung inszeniert hat. Zeitgleich kündigte er ein Gipfeltreffen an, gemeinsam mit Saudi-Arabien. Thema: Die Zwei-Staaten-Lösung. Ort: New York, zur UN-Vollversammlung im September. Das ist kein Zufall.
Die Botschaft zwischen den Zeilen: Israel könnte die Tür zu Saudi-Arabien öffnen – wenn es seinerseits Palästina als Staat anerkennt. Denn für die sunnitische Führungsmacht ist das der entscheidende Prüfstein. Macron bietet hier nicht nur eine Bühne – er spielt den Vermittler.
Der Westen steht nicht mehr geschlossen
Mit diesem Schritt wird klar: Der Westen ist in der Nahostfrage gespalten. Während die USA und Deutschland weiter auf „Frieden vor Anerkennung“ setzen, wechselt Paris das Lager. Die gemeinsame Linie ist dahin. Für die EU bedeutet das einmal mehr: Einstimmigkeit in der Außenpolitik bleibt eine Illusion.
Besonders für Deutschland ist Macrons Kurs unbequem. Die Bundesregierung steht nun unter Druck. Wer in Paris Palästina als Staat sieht, kann schwerlich dieselbe Sprache wie Berlin sprechen. Und die Stimmen, die auch von Deutschland diesen Schritt fordern, dürften nun lauter werden.
Der rechtliche Rahmen wankt
Völkerrechtlich stärkt die Anerkennung Palästinas dessen Position. Doch der Internationale Strafgerichtshof ist kein Machtinstrument. Er ist ein Gericht – kein Staat mit Polizei. Entscheidungen werden nur durchgesetzt, wenn Regierungen mitspielen. Schon beim Haftbefehl gegen Netanjahu zeigte sich, wie machtlos das System ist, wenn politische Interessen überwiegen.

Auch Macrons Schritt ändert daran wenig. Doch er verschiebt die Wahrnehmung: Was lange als hypothetische Option galt, wird für viele Länder nun zur Realität. Das verändert auch die Art, wie über den Konflikt gesprochen wird.
Zweistaatenlösung auf dem Papier
Die große Frage bleibt: Bringt das die Region dem Frieden näher? Eher nicht. Auf palästinensischer Seite ist die Autonomiebehörde geschwächt, die Hamas stärker denn je. In Israel lehnt die Regierung eine Zweistaatenlösung inzwischen offen ab. Und auf beiden Seiten fehlt Vertrauen – vor allem seit dem Terroranschlag am 7. Oktober und den darauffolgenden Angriffen auf Gaza.
Die Oslo-Verträge, einst Hoffnungsträger eines Friedens, sind heute ein Stück Papier ohne Durchsetzungskraft. Was Macron vorschlägt, ist ein Neustart – mit dem Status eines Staates als Ausgangspunkt, nicht als Ergebnis.
Wenn der Westen zum Zuschauer wird
Sollte Israel die Einladung zum Dialog ausschlagen, könnte Frankreich auf weiter Flur allein dastehen. Washington wird den Kurs kaum mittragen, Berlin ebenfalls nicht. Doch das weiß Macron.
Und genau darin liegt vielleicht seine eigentliche Absicht: zu provozieren. Nicht im klassischen Sinn, sondern durch Vorleistung. Er zwingt die anderen, sich zu positionieren.
Macron setzt auf Dynamik – darauf, dass andere ihm folgen. Wenn nicht jetzt, dann später. Und womöglich nicht offen, sondern in kleinen Schritten. Diplomatie kennt viele Zwischentöne.
Ein Alleingang mit offenem Ausgang
Was Macron mit seiner Ankündigung ausgelöst hat, lässt sich schwer beziffern. Es ist eine tektonische Verschiebung im diplomatischen Gefüge – vielleicht sogar ein Weckruf an eine westliche Nahostpolitik, die sich zu lange in Formeln verheddert hat.
Ob daraus etwas entsteht, ist offen. Aber Macron hat gezeigt: Frankreich ist bereit, anders zu denken. Und dieser Kurs könnte, bei aller Unsicherheit, genau das sein, was der festgefahrene Konflikt derzeit braucht – frischen Mut, statt alter Floskeln.
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