20. Mai, 2025

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Fast Fashion auf Prime?

Billig, bunt, blitzschnell geliefert: Amazon will mit "Haul" die Generation TikTok für sich gewinnen. Das neue Format zielt auf spontane Käufe, niedrige Preise und visuelles Scrollen ab – und könnte den E-Commerce in Europa massiv verändern.

Fast Fashion auf Prime?
Mit dem Haul-Format setzt Amazon auf impulsives Scroll-Shopping statt gezielter Suche. Der visuelle Feed erinnert mehr an TikTok als an klassischen E-Commerce – und beschleunigt damit das ohnehin schon rastlose Kaufverhalten.

Der Angriff auf Temu und Shein hat begonnen

Amazon hat seine Linie gefunden: Statt sich mit asiatischen Billigplattformen wie Temu und Shein still zu arrangieren, kontert der Konzern nun offen.

Das Mittel der Wahl heißt "Haul" – ein Shopping-Format, das visuell, mobil und maximal billig daherkommt. Der Start in Großbritannien ist bereits erfolgt, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien folgen.

Was ist "Haul"?

Anders als im klassischen Amazon-Marktplatz steht bei Haul nicht die gezielte Produktsuche im Mittelpunkt, sondern das impulsive Entdecken. Mode, Technik, Haushaltsgadgets – alles zum Einheitspreis unter 20 Euro. Inspiriert ist der Name vom Social-Media-Trend, bei dem Nutzer ihre Einkäufe präsentieren: "Hauls" eben.

Amazon integriert das Angebot direkt in seine App, trennt aber Warenkorb und Kaufprozess bewusst vom Hauptshop. Wer bei Haul bestellt, erlebt ein anderes Amazon: mehr Swipe, weniger Suche. Und genau das ist gewollt.

TikTokisierung des Konsums

Haul ist keine halbgare Produkterweiterung, sondern ein strategisches Manöver. Amazon zielt auf jüngere Zielgruppen, die ihre Kaufimpulse über Bilder und Videos statt über Suchbegriffe bekommen. Mit Haul holt sich der Konzern die Nutzer zurück, die zuletzt lieber bei Temu scrollten.

Amazon bewirbt Haul mit extrem günstigen Trendprodukten. Doch bei Preisen unter 10 Euro geraten Fragen nach Produktionsbedingungen, Nachhaltigkeit und Produktqualität zwangsläufig in den Hintergrund.

Gleichzeitig bringt Amazon Stärken ins Spiel, die Temu und Shein bislang nicht bieten konnten: Prime-Versand, bessere Retourenprozesse, Kundenvertrauen. Das dürfte Haul in der Breite attraktiver machen – und genau hier setzt das Kalkül an.

Risiken für kleine Händler – und für die Umwelt

Was als cleverer Schachzug wirkt, hat Schattenseiten. Denn mit Haul treibt Amazon einen Markt an, der schon heute für Überproduktion, miese Qualität und zweifelhafte Arbeitsbedingungen steht. Der Fokus auf Preise unter 20 Euro lässt Fragen nach fairer Herstellung offen.

Auch kleinere Händler geraten unter Druck: Wer nicht mithalten kann, wird vom Plattform-Algorithmus verdrängt. Das neue Interface priorisiert Masse statt Marke, Schnelligkeit statt Story.

Ein neues Amazon?

Für Amazon selbst ist Haul mehr als ein Side-Projekt. Es ist der Versuch, den E-Commerce-Trend der Zukunft mitzugestalten. Die Marktlücke ist offensichtlich: Temu & Co. holen rasant auf, vor allem bei unter 30-Jährigen. Mit Haul möchte Amazon diesen Trend nicht nur abfangen, sondern kontrollieren.

Ob das gelingt, hängt davon ab, ob Kunden die neue Mischung aus billigem Spaß und Prime-Komfort annehmen. Sollte das Konzept funktionieren, könnte Haul der neue Standard für das mobile Online-Shopping werden. Wenn nicht, bleibt es ein Experiment.

Doch fürs Erste sieht alles nach einem Frontalangriff aus. Und Amazon spielt die Sache groß.

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