08. Mai, 2025

Unternehmen

Erste Group kauft sich groß – und bremst die Dividende

Die österreichische Erste Group investiert 7 Milliarden Euro in zwei Santander-Töchter in Polen – vollständig aus eigener Kraft. Anleger feiern, doch für Dividendenfans und Rückkäufer wird es ungemütlich. Was hinter dem Megadeal steckt – und warum er nicht nur ein Wachstumsversprechen ist.

Erste Group kauft sich groß – und bremst die Dividende
Mit der Übernahme von Mehrheiten an zwei Santander-Töchtern in Polen investiert die Erste Group massiv – auf Kosten von Rückkaufprogramm und Dividendenkontinuität.

Ein großer Schritt – mit spürbaren Konsequenzen

Ohne Partner, ohne Fremdkapital, ohne Rücksicht auf kurzfristige Belohnung der Aktionäre: Die Erste Group stemmt eine der größten Bankübernahmen ihrer Geschichte im Alleingang.

Für insgesamt 7 Milliarden Euro übernimmt das Institut Mehrheitsanteile an zwei polnischen Santander-Töchtern – der Santander Bank Polska und dem Vermögensverwalter Santander TFI.

Die Wiener haben dafür nicht nur tief in die strategische Kasse gegriffen. Sie streichen kurzerhand ein laufendes Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 700 Millionen Euro – und reduzieren die Ausschüttungsquote für das kommende Jahr drastisch auf maximal 10 Prozent.

Eine ungewöhnlich harte Ansage für eine Bank mit solidem Kapitalpolster – aber eine kalkulierte.

Polen – ein heiß umkämpfter, aber lukrativer Markt

Mit der Transaktion verschafft sich die Erste Group unmittelbaren Zugang zu einem der am schnellsten wachsenden Bankenmärkte der EU. Die Santander Bank Polska ist nach Bilanzsumme die Nummer drei im Land, mit einem Marktanteil von über 8 Prozent und ausgewiesener Profitabilität.

Polen gilt nicht nur als wachstumsstark, sondern auch als überdurchschnittlich margenstark im europäischen Bankenumfeld. Der Wettbewerb ist hoch, doch das Zinsumfeld und die strukturelle Nachfrage nach Bankdienstleistungen – von Krediten über Zahlungsverkehr bis hin zu Investments – spielen den Marktführern in die Karten.

Mit über 8 % Marktanteil zählt Santander Bank Polska zu den Schwergewichten im Land – doch Nähe zur Ukraine, Inflation und regulatorischer Druck bleiben Risikofaktoren.

Der zweite Teil des Deals, die Beteiligung an Santander TFI, bringt ein Asset-Management-Volumen von rund 6 Milliarden Euro ein. Ein sinnvoller Schritt für die Erste Group, die bisher nur begrenzte eigene Reichweite im Fondsbereich in Polen hatte.

Finanzierung: Rückgrat zeigen – und Verzicht üben

Was die Übernahme aus Sicht vieler Investoren bemerkenswert macht: Sie wird komplett aus Eigenmitteln finanziert. Weder Kapitalerhöhung noch Fremdfinanzierung – stattdessen Selbstverzicht.

Die Streichung des Rückkaufprogramms und die Dividendenkürzung für 2025 sind klare Signale: Wachstum vor Shareholder-Belohnung.

Der Schritt ist riskant – aber nicht unüberlegt. Trotz Milliardeninvestition rechnet die Erste Group damit, die CET1-Quote (harte Kernkapitalquote) Ende 2025 bei über 13,5 % zu halten.

2026 soll sie dann auf 14,25 % steigen – ein neues Zielniveau, das solide wirkt, aber angesichts der geopolitischen Unsicherheiten in der Region nicht ohne Fragezeichen bleibt.

Aktienkurs im Aufwind – doch das Momentum muss halten

Die Börse reagierte zunächst positiv: Die Aktie der Erste Group legte am Montagvormittag in Wien zwischenzeitlich um knapp 7 % zu und erreichte 62,90 Euro – das höchste Niveau seit über einem Jahr. Analysten loben die strategische Klarheit des Zukaufs, sehen aber auch die operative Integrationsleistung als Herausforderung.

Denn: Mit der Santander Bank Polska übernimmt Erste nicht nur Marktanteile, sondern auch Regulierungsrisiken, IT-Systeme, Personalfragen – und vor allem: Verantwortung für eine Bank, die bislang unter spanischer Führung stand.

Versprochen: Mehr Gewinn, mehr Rendite – aber später

Für das Jahr 2026 stellt die Erste Group mehr als 20 % Gewinnwachstum pro Aktie in Aussicht. Die Eigenkapitalrendite (ROTE) soll auf etwa 19 % steigen – ein starker Wert, verglichen mit dem derzeitigen Konsens von 15 %. Doch diese Zahlen sind ambitioniert und setzen voraus, dass der polnische Markt stabil bleibt und die Synergien wie geplant heben.

Die Rückkehr zur ursprünglichen Ausschüttungsquote von 40 bis 50 % ist ebenfalls erst für das Geschäftsjahr 2026 geplant – sofern die Integration glatt verläuft.

Ein Balanceakt zwischen Expansion und Erwartungsmanagement

Der Deal ist mutig. In einem Umfeld, in dem viele Banken lieber Aktien zurückkaufen und Quartalszahlen managen, setzt die Erste Group auf strategisches Wachstum. Die Zeit wird zeigen, ob die Rechnung aufgeht – und ob Anleger Geduld haben.

Fest steht: Die Erste Group nimmt Tempo auf in Polen. Aber sie nimmt auch Tempo raus bei der Dividende. Was bleibt, ist ein klassischer Zielkonflikt – zwischen heutigen Erwartungen und morgigen Chancen.

Kapitalstärke trifft Kapitalverzicht

7 Milliarden Euro für Wachstum – aber keine Geschenke für Aktionäre. Die Erste Group setzt ein starkes Zeichen. Ob es belohnt wird, entscheidet sich nicht heute, sondern 2026.

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