Das deutsche Schienennetz befindet sich in einer Transformationsphase, welche durch die schrittweise Erweiterung elektrifizierter Strecken gekennzeichnet ist. Dennoch bleibt die Fortschrittsrate der Elektrifizierung hinter den Erwartungen zurück. Derzeit sind mehr als ein Drittel der Strecken in Deutschland nicht mit elektrischen Oberleitungen ausgestattet, was bedeutet, dass sie weiterhin auf die Nutzung von Diesellokomotiven angewiesen sind. Im vergangenen Jahr wurden dazu lediglich 20 Kilometer neue elektrifizierte Schienenwege in Betrieb genommen, während in diesem Jahr eine marginale Steigerung auf 45 Kilometer zu verzeichnen war, wie die Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) berichten.
Aktuell ist der Anteil der elektrifizierten Schienenstrecken in Deutschland auf 62 Prozent beziffert, obwohl der elektrisch angetriebene Schienenverkehr 90 Prozent des Gesamtverkehrs abdeckt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass stark frequentierte Strecken bereits mit Oberleitungen versorgt sind. Die Allianz pro Schiene hat ehrgeizige Ziele formuliert und fordert eine deutliche Beschleunigung der Elektrifizierung: Bis zum Jahr 2035 sollen 80 Prozent des Schienennetzes mit Oberleitungen versehen sein. Um dies zu erreichen, müssten jährlich nahezu 600 Kilometer an neuen Oberleitungen installiert werden. Der bisherige Durchschnitt lag jedoch lediglich bei 75 Kilometern pro Jahr.
Trotz der noch schleppenden Fortschritte gibt es Hoffnung auf eine positive Entwicklung. Die neu formierte Bundesregierung hat die Relevanz des Elektrifizierungsthemas anerkannt und plant, das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Genehmigungen von Projekten zu streichen. Dieser Schritt könnte der gesamten Projektdurchführung einen starken Schub verleihen. Darüber hinaus soll die Finanzierung über den erweiterten Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt werden, was laut Dirk Flege, dem Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, das Tempo des Ausbaus auf das Achtfache der jetzigen Geschwindigkeit erhöhen könnte.
Auch die deutsche Bauindustrie zeigt sich bereit, die infrastrukturellen Herausforderungen zu meistern. Unternehmen investieren verstärkt in die Ausbildung neuer Fachkräfte, insbesondere von Oberleitungsmonteuren, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Eine zusätzliche Priorität innerhalb der Elektrifizierungsstrategie ist die Verbesserung der grenzüberschreitenden Verbindungen zu europäischen Nachbarländern. Vor allem an den Grenzen zu Polen und Tschechien besteht Nachholbedarf, da derzeit nur 28 von 57 Grenzübergängen mit Oberleitungen ausgestattet sind. Dies ist auch angesichts der wachsenden Bedeutung militärischer Transporte auf der Schiene ein zunehmend relevantes Thema.