Datenschutz kostet – selbst für Apple
Ein kurzer Zuruf wie „Hey Siri“ – und im Hintergrund läuft mit, was eigentlich privat bleiben sollte. Genau das wirft eine US-Sammelklage Apple nun vor: Zwischen 2014 und Ende 2020 sollen Siri-fähige Geräte private Gespräche mitgeschnitten haben, ohne dass Nutzer davon wussten – ausgelöst durch unbeabsichtigte Aktivierungen.
Apple bestreitet die Vorwürfe. Dennoch zahlt der iPhone-Konzern nun bis zu 95 Millionen US-Dollar, um den Rechtsstreit beizulegen. Ein stiller Vergleich – mit lauter Signalwirkung.
Der Fall: Sprachassistentin als ungewolltes Ohr
Im Zentrum der Sammelklage steht die Frage: Wann hört Siri wirklich zu? Laut Klägern wurden zahlreiche Mitschnitte aufgenommen, obwohl die Sprachsteuerung gar nicht bewusst aktiviert wurde.
Interne Testprotokolle und Aussagen ehemaliger Apple-Zulieferer hatten zuvor bereits nahegelegt, dass Siri häufiger reagiert als offiziell bekannt. Besonders heikel: Die Aufnahmen enthielten teilweise sensible Informationen – Passwörter, Gesundheitsdaten, private Gespräche.
Der Vorwurf: Apple habe zu wenig getan, um ungewollte Aktivierungen zu verhindern – und die Nutzer nicht ausreichend informiert.
Wer profitiert? Bis zu 100 Dollar für Käufer in den USA
Für Apple-Nutzer in den USA bedeutet das: Wer zwischen September 2014 und 31. Dezember 2020 ein Siri-fähiges Gerät gekauft hat, kann jetzt bis zu 100 Dollar erhalten.
Voraussetzung: ein gültiger Kaufbeleg – und die rechtzeitige Anmeldung bis zum 2. Juli 2025. Pro Person sind maximal fünf Geräte anrechenbar, die Entschädigung liegt bei 20 Dollar je Gerät.

Ob iPhone, iPad, Apple Watch, MacBook, iMac, HomePod oder Apple TV – alle Siri-fähigen Produkte dieser Jahre sind grundsätzlich anspruchsberechtigt. Die Auszahlung erfolgt allerdings erst nach richterlicher Genehmigung im August – und nur, falls keine Berufung erfolgt.
Was dieser Vergleich über Apple verrät
Offiziell bestreitet Apple jegliches Fehlverhalten – der Vergleich sei rein wirtschaftlich motiviert. Doch dass der Tech-Konzern überhaupt zahlt, deutet auf ein heikles juristisches Terrain hin.
Denn während Apple in der Außendarstellung gerne den Datenschutz als Markenkern hervorhebt, zeigt dieser Fall eine deutlich komplexere Realität. Schon 2019 hatte der Guardian aufgedeckt, dass Siri-Aufnahmen durch Drittanbieter analysiert wurden – teils ohne Wissen der Nutzer.
Datenschutz wird zur Kostenfrage – auch für Big Tech
Apple ist nicht allein. Auch Amazon (Alexa) und Google (Assistant) standen in den vergangenen Jahren wegen ähnlicher Vorwürfe in der Kritik. Der Fall Siri zeigt jedoch besonders deutlich, wie schmal der Grat zwischen technischer Innovation und Privatsphäre geworden ist.
Der Unterschied: Während Google und Amazon primär mit Werbung ihr Geld verdienen, positioniert sich Apple bewusst als „Privacy First“-Anbieter – und verlangt dafür Premiumpreise. Umso empfindlicher ist der Reputationsschaden, wenn die Realität diesem Versprechen nicht standhält.
Apple Intelligence – neues Siri, alte Zweifel
Ironischerweise arbeitet Apple derzeit an einer komplett neuen Siri-Version – unter dem Projektnamen Apple Intelligence. Eigentlich sollte sie dieses Jahr starten, mit mehr Personalisierung und KI-Funktionalitäten.
Doch die Einführung wurde auf 2026 verschoben – und auch hier gibt es bereits juristische Stolpersteine: Eine neue Klage wirft Apple Irreführung bei der Bewerbung des KI-Features vor.
Was bleibt: Der Preis der Bequemlichkeit
Der Fall Siri steht exemplarisch für das zentrale Spannungsfeld der Digitalökonomie: Sprachassistenten und smarte Geräte bieten Komfort – aber verlangen dafür die Bereitschaft, Teile der Privatsphäre preiszugeben. Je mehr Technik „mithört“, desto größer wird das Risiko, dass auch ungewollt etwas aufgezeichnet wird.
Und: Je größer die Konzerne, desto kostspieliger werden diese Konflikte – auch wenn 95 Millionen Dollar für Apple eher ein Betriebsunfall sind als eine finanzielle Bedrohung.
Für die Nutzer hingegen ist der Fall ein Weckruf. Und vielleicht auch ein kleiner Ausgleich.
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