18. Mai, 2025

Politik

Beamte sollen zahlen – Bas Rentenvorstoß spaltet die Koalition

Arbeitsministerin Bärbel Bas will die Rente neu ordnen – mit einem Tabubruch. Künftig sollen auch Beamte in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Die Union bremst – und warnt vor Schnellschüssen.

Beamte sollen zahlen – Bas Rentenvorstoß spaltet die Koalition
Arbeitsministerin Bärbel Bas fordert, dass künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen – ein politischer Tabubruch.

Ohne lange Vorrede, direkt in die Offensive: Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat sich am Mittwoch im Bundestag mit einem Vorstoß zu Wort gemeldet, der Sprengkraft hat.

Die Sozialdemokratin fordert nichts weniger als eine Revolution im Rentensystem: Auch Beamte sollen künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen – ein Gedanke, der jahrzehntelang als politisches Minenfeld galt.

„Es geht um die gesellschaftliche Tragfähigkeit unseres Rentensystems“, sagte Bas. Und: „Wir müssen über Gerechtigkeit reden.“

Ein System am Limit

Die Ausgangslage ist dramatisch – und Bas benennt sie deutlich. Die gesetzliche Rentenversicherung steht unter Druck. Die Babyboomer gehen in Rente, die Beitragszahlerbasis schrumpft, die Rentenausgaben steigen.

Allein bis 2030 fehlen laut Schätzungen der Deutschen Rentenversicherung über 500 Milliarden Euro – selbst unter günstigen Annahmen. Gleichzeitig steigen die Steuerzuschüsse seit Jahren an und machen inzwischen mehr als ein Drittel der Renteneinnahmen aus.

Bärbel Bas will deshalb den Kreis der Einzahler erweitern – und zwar radikal. Beamte, bislang über ihr eigenes Versorgungssystem abgesichert, sollen sich künftig am Solidarsystem beteiligen.

„Es kann nicht sein, dass wir über Generationengerechtigkeit reden und gleichzeitig große Bevölkerungsgruppen ausnehmen“, so Bas.

In der Bevölkerung finde dieser Vorschlag durchaus Zustimmung: Laut Umfragen befürwortet eine Mehrheit die Öffnung der gesetzlichen Rente für Beamte.

Politischer Gegenwind von der Union

Doch die politische Realität ist komplizierter als jedes Stimmungsbild. Aus der CDU/CSU-Fraktion kommt bereits scharfer Widerspruch. „Wir dürfen aus parteipolitischem Aktionismus kein verfassungsrechtliches Chaos anrichten“, warnte ein Sprecher der Union.

Die Beamtenversorgung sei grundgesetzlich geschützt – eine Umstellung auf das Umlagesystem der gesetzlichen Rente würde tief in bestehende Ansprüche eingreifen.

Auch ein Vorschlag wie die sogenannte „Erwerbstätigenversicherung“, also ein Rentensystem für alle, sei laut Union langfristig zu prüfen – aber nichts für schnelle Beschlüsse.

Die Debatte wird zusätzlich dadurch aufgeheizt, dass die neue Regierung – eine Koalition aus CDU und SPD unter Kanzler Friedrich Merz – bislang kein einheitliches Bild in der Sozialpolitik abgibt.

Im Koalitionsvertrag war lediglich die Einrichtung einer Rentenkommission vereinbart worden, die langfristige Reformoptionen entwickeln soll. Nun geht die SPD offenbar in Vorleistung – und provoziert damit offenen Dissens.

Mehr Druck durch konjunkturelle Risiken

Bärbel Bas sprach im Bundestag auch Klartext in Sachen Arbeitsmarkt. „Wir werden um viele Arbeitsplätze sehr hart kämpfen müssen“, sagte sie mit Blick auf die wirtschaftliche Lage.

Hintergrund ist nicht nur die schwächelnde Konjunktur, sondern auch der zunehmende internationale Protektionismus. Handelskonflikte, insbesondere mit China und den USA, drohen für Exporteure zur Belastung zu werden. Auch die deutsche Industrie – traditionell Rückgrat der Sozialversicherungen – gerät zunehmend ins Schlingern.

Bas verbindet daher ihre Renteninitiative mit einem Appell: „Wenn wir jetzt nicht handeln, ist das Vertrauen in die Stabilität unseres Sozialstaats gefährdet.“ In ihrer Sicht ist die Erweiterung der Einzahlerbasis ein Akt der politischen Notwendigkeit – kein ideologisches Projekt.

Experten sehen Reformbedarf – aber mahnen zur Sorgfalt

Ökonomen und Sozialexperten zeigen sich uneins über die politische Umsetzbarkeit. Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen sieht im Bas-Vorschlag ein „wohlklingendes, aber verfassungsrechtlich hochproblematisches Manöver“.

Der Staat könne nicht einfach in bestehende Beamtenverträge eingreifen, ohne milliardenschwere Ausgleichszahlungen zu leisten. Zudem drohe ein Vertrauensverlust beim öffentlichen Dienst – gerade in Zeiten von Lehrermangel und Ärztenotstand.

Andere Fachleute wie die Sozialforscherin Dorothea Siems halten das Modell einer Erwerbstätigenversicherung langfristig für sinnvoll – wenn es über Jahrzehnte eingeführt und begleitet werde. Entscheidend sei die Machbarkeit im Übergang: Was passiert mit Bestandsbeamten?

Wie wird der doppelte Aufwand aus Rückstellungen für Pensionen und gleichzeitigen Beiträgen in die gesetzliche Rente finanziert? Antworten darauf blieb Bas bislang schuldig.

SPD will sich profilieren – auch gegen Koalitionspartner

Der Vorstoß von Bas ist auch innenpolitisch zu deuten. Die SPD will sich im neuen Kabinett als sozialpolitische Korrektivinstanz gegenüber der wirtschaftsliberalen CDU positionieren – und findet mit der Rentenfrage ein populäres Thema.

Während Kanzler Merz in seiner Regierungserklärung auf „Wachstum, Haushaltssolidität und Standortpolitik“ setzte, zielt Bas auf die soziale Komponente: mehr Gerechtigkeit, mehr Solidarität, mehr Teilhabe.

Ein riskantes Spiel, denn eine offene Front mit dem Koalitionspartner dürfte die ohnehin fragile Regierungsbasis weiter belasten – und der Opposition neue Angriffsflächen bieten.

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