Ein Hoffnungsschimmer im Pharmageschäft
Es wirkt wie ein paradoxes Quartal: Bayer verdient mehr als erwartet – doch der Konzern bleibt angeschlagen. Der operative Gewinn (Ebitda) geht um 7,4 % zurück, was zunächst düster klingt.
Doch Analysten hatten Schlimmeres prognostiziert. Dass es nicht so kam, liegt an einem unerwartet starken Pharmasegment. Die Anleger dankten es mit einem Kursplus von bis zu elf Prozent.
Aber: Wer glaubt, Bayer sei damit über den Berg, irrt. Der Konzern bleibt tief verstrickt in ein Geflecht aus Patentabläufen, Produkthaftungsklagen, Umsatzeinbrüchen im Agrargeschäft – und wachsender interner Unruhe.
Agrar schwächelt – und wird zur Belastung
Der einst als Wachstumsanker gehandelte Agrarbereich entwickelt sich zum Klotz am Bein. Der operative Gewinn der Sparte brach um über zehn Prozent ein, der Umsatz sank um 3,3 %. Für ein Segment, das eigentlich die Lücken im Pharmabereich stopfen sollte, ist das ein denkbar schlechter Befund.
Die Gründe sind bekannt – und tiefgreifend. In den USA ist die Zulassung des Unkrautvernichters Dicamba ausgesetzt, in Europa verzichtet Bayer selbst auf die Verlängerung für Movento. Der Umsatz mit Glyphosat fiel um zehn Prozent, obwohl Bayer dies als temporär bezeichnet.
Gleichzeitig ist die Konkurrenz aus Asien aggressiver denn je. Generikahersteller drängen auf den Markt, drücken die Preise – und entziehen Bayers Pflanzenschutzgeschäft die Luft zum Atmen.
Ein Pharmasegment im Aufbruch – trotz Xarelto-Verlusten
Während das Agrargeschäft schwächelt, liefert die Pharmasparte. Zwar schrumpfen die Umsätze mit dem früheren Blockbuster Xarelto – minus 31 Prozent im Quartal – doch neue Medikamente machen Boden gut.
Der Prostatakrebs-Wirkstoff Nubeqa und das Nierenpräparat Kerendia wachsen jeweils um rund 80 % – eine beeindruckende Dynamik.
Auch Verhütungsmittel und Radiologie legten zu. Der operative Gewinn im Pharma-Bereich kletterte um 12,4 %. Konzernchef Bill Anderson sieht die Sparte am oberen Ende der Jahresprognose – und wäre bei stabilerem Umfeld noch optimistischer.
Doch die Unsicherheit bleibt: Sollte Trump Zölle auf Medikamente einführen – etwa auf Importe aus der EU oder Asien – könnte das Portfolio erneut unter Druck geraten. Noch sind Arzneien ausgenommen. Doch es läuft bereits eine US-Untersuchung zu Pharmaimporten. Bayer hält sich daher mit Jubel zurück.
Ein Sparkurs auf Kosten der Belegschaft
Die Schattenseite der Bayer-Strategie zeigt sich bei der Belegschaft. Im ersten Quartal 2025 fielen 2.000 Stellen weg, insgesamt 11.000 seit Sommer 2023. Nun trifft es das Werk in Frankfurt – mit weiteren 500 Jobs. Auch am Stammsitz in Dormagen werden Stellen gestrichen.
Der Gesamtbetriebsrat reagierte mit scharfer Kritik. Die Standortschließung in Frankfurt sei ein Bruch mit sozialen Vereinbarungen. Vorsitzende Heike Hausfeld kündigte Widerstand an – intern brodelt es.
Für Bayer ist der Stellenabbau Teil des angekündigten Effizienzprogramms. Ziel: eine Milliarde Euro Einsparung im Agrarbereich bis 2029. Konzernchef Anderson rechtfertigt die Kürzungen mit dem globalen Kostendruck und verweist auf Investitionen in „hochinnovative Technologien“.
Der Monsanto-Fehler kostet weiter
Bayers größte Hypothek bleibt jedoch die Übernahme von Monsanto. Mit dem US-Konzern kam das Produkt „Roundup“ ins Portfolio – und damit das milliardenschwere Glyphosat-Risiko. Allein im ersten Quartal verbuchte Bayer erneut über 500 Millionen Euro an Sonderaufwendungen für Rechtsstreitigkeiten.
Die Kosten sind unberechenbar – sowohl juristisch als auch für das Markenimage. Bayer hat mehrfach versucht, das Kapitel abzuschließen. Doch immer wieder kommen neue Klagen hinzu. Die Rechtslast ist inzwischen fest in der Bilanz verankert.
Börse applaudiert – Analysten bleiben skeptisch
Die Aktie sprang auf über 26 Euro – ein Plus von bis zu elf Prozent im Tagesverlauf. Grund: Bayer übertraf die Erwartungen und bestätigte seine Jahresziele. Doch viele Analysten bleiben zurückhaltend. Die Deutsche Bank lobt das „ermutigende Ergebnis“, warnt aber vor den strukturellen Risiken.
Der Konzern kämpft auf mehreren Fronten gleichzeitig: Er muss wachsen, sparen, Prozesse führen, Märkte verteidigen – und Vertrauen zurückgewinnen. Die Erholung an der Börse ist da nur ein temporärer Aufschlag. Keine Trendwende.
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