21. Juli, 2025

Automobile

Audi A8: Vom Flaggschiff zum Flaschenhals

Die Luxuslimousine aus Neckarsulm droht zum Youngtimer zu werden – weil sich ein Plattformstreit aus dem Jahr 2022 zum Bumerang entwickelt. Audi-Chef Gernot Döllner kämpft nun mit den Folgen seiner damaligen Weichenstellung – und mit dem Stillstand im Topsegment des VW-Konzerns.

Audi A8: Vom Flaggschiff zum Flaschenhals
Der Audi A8 von heute – gebaut auf gestern: Während Mercedes und BMW längst neue Flaggschiffe präsentieren, fährt Audis Topmodell technisch im Standby-Modus.

Kollaps im Konzern: Wie der A8 zur Reizfigur wurde

Audi steht vor einem der größten Dilemmata seiner jüngeren Geschichte – und es dreht sich ausgerechnet um das Modell, das einst als technologische Speerspitze der Marke galt: den A8.

Einst Sinnbild für Ingenieurskunst und leisen Luxus, ist die große Limousine inzwischen in die Jahre gekommen – und ein neues Modell? Weiter nicht in Sicht.

Dabei war der Plan eigentlich klar: Auf der 2022 beschlossenen Elektroplattform SSP 61 sollten ab 2025 die neuen Topmodelle aller Luxusmarken des Konzerns entstehen. Bentley, Lamborghini – und eben Audi. Doch dieser Plan ist längst ins Rutschen geraten. Die SSP 61 kommt frühestens 2029. Wenn überhaupt.


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Vom Strategen zum Getriebenen

Damals, im Herbst 2022, saß Gernot Döllner noch als Strategiechef für den VW-Konzern mit am Tisch. Er setzte sich gegen die Audi-interne SSP 51 durch und brachte die Porsche-nah entwickelte SSP 61 in Stellung. Sportlicher, günstiger, aber nicht autonomiefähig. Der damalige Audi-Chef Markus Duesmann verlor den internen Machtkampf – und mit ihm die Architekturhoheit.

Heute ist Döllner selbst Audi-Chef. Und damit verantwortlich für ein Werk in Neckarsulm, das dringend ein neues Zugpferd braucht – und einen A8, der sich 2024 nur noch 15.000-mal verkaufte. Der einstige Prestigeträger droht zum Lückenfüller zu werden.

Verlorene Jahre

Die letzte vollständige Überarbeitung des A8 liegt sieben Jahre zurück. In der Autobranche ist das eine Ewigkeit. Der Mercedes S-Klasse und dem BMW 7er gegenüber wirkt Audis Oberklassemodell veraltet – technisch wie strategisch.

Luxus mit Ladehemmung: Der Audi A8 verkauft sich nur noch 15.000 Mal im Jahr – weil die Nachfolgegeneration im Warteraum der Konzernstrategie feststeckt.

Die Hoffnung, mit einem vollelektrischen A8 ab 2025 aufzuholen, hat sich zerschlagen. Stattdessen muss Audi improvisieren. Insider berichten von einer möglichen Notlösung: Eine neue Generation auf Basis des Porsche-eigenen MSB-Baukastens, eigentlich konzipiert für den Panamera.

Doch das wäre ein Rückschritt. Keine vollständige Elektrifizierung, keine neue Plattform, nur ein Plug-in-Hybrid auf Halbmast.

Ein Konzern streckt die Investitionen

Was den Frust noch größer macht: Die Verzögerung ist kein reines Technikproblem. Auch Porsche als Plattformführer will inzwischen sparen. Die Weiterentwicklung der SSP 61 zieht sich, Softwareprobleme sind ungelöst, ein kompletter Neustart steht im Raum. Und bei Bentley und Lamborghini wächst der Druck – die Absätze sinken, doch der Weg in die elektrische Zukunft ist blockiert.

Eine Audi-interne Lösung wäre teuer – und risikobehaftet. Das finanzielle Korsett unter VW-Finanzchef Arno Antlitz ist eng geschnürt. Konzernchef Oliver Blume hat die Entscheidung über die Zukunft der SSP 61 nun auf Herbst vertagt.

Zwischen Landyacht und Landjet

Derweil verpasst Audi die Gelegenheit, eigene Maßstäbe zu setzen. Ausgerechnet dort, wo einst der Innovationsanspruch am höchsten war. Konzernintern ist noch immer von einer elektrischen „Landyacht“ oder dem „Landjet“ die Rede – luxuriöse Schlachtschiffe auf vier Rädern. Die Realität sieht nüchterner aus: kein Starttermin, keine Plattform, kein Plan B.

Schwäche als Vermächtnis

Der Konflikt ist mehr als ein technischer Rückschlag. Er ist auch ein Symbol für die Machtspiele im VW-Konzern – und für strategische Fehler, die sich nun rächen. Dass ausgerechnet der heutige Audi-Chef Döllner einst für genau jene Architektur kämpfte, die sein Haus heute lähmt, verleiht der Geschichte eine bitter-ironische Wendung.

Ein Kollege aus der Konzernführung formuliert es so: „Ich habe lange keinen erlebt, der sich so anstrengt wie Döllner.“ Doch manchmal reicht Anstrengung nicht – wenn die Plattform unter einem wegbricht.

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