Klaus Reinhardt, der Präsident der Bundesärztekammer, hat in einem eindringlichen Appell vor einem drohenden Versorgungsnotstand im deutschen Gesundheitssystem gewarnt. Ohne zügige Reformen zur Effizienzsteigerung sieht Reinhardt die Gefahr, dass die medizinische Versorgung ernsthaft beeinträchtigt wird. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur unterstrich er die Notwendigkeit entscheidender Verbesserungen in der Steuerung der medizinischen Versorgung, um das System nachhaltiger zu gestalten. Ein bedeutender Vorschlag Reinhardts ist die verpflichtende Registrierung von Patienten bei Hausarztpraxen, um eine bessere Koordination der weiterführenden Behandlungen zu ermöglichen.
Diese Thematik steht derzeit auch im Zentrum der Diskussionen auf dem Deutschen Ärztetag, der in Leipzig stattfindet. Die Erwartungen richten sich insbesondere auf die Beiträge der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), deren Ansichten zur Reform des Gesundheitssystems mit Spannung erwartet werden.
Mit durchschnittlich fast zehn Arztbesuchen pro Bürger jährlich liegt Deutschland an der Spitze der weltweiten Besuchsraten. Besonders ältere Menschen und chronisch Kranke sind häufig überfordert von der Komplexität des Systems. Reinhardt machte deutlich, dass die gegenwärtige Situation, die geprägt ist von Fachkräftemangel und begrenzten finanziellen Ressourcen, nicht länger tragbar sei. Erste im Koalitionsvertrag vereinbarte Maßnahmen deuten in Richtung einer Verbesserung, indem sie Patienten ermutigen, primär den Hausarzt als ersten Anlaufpunkt zu konsultieren.
Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz, hält den angedrohten Notstand jedoch für vermeidbar und kritisiert die hausgemachten Probleme des Systems. Er weist auf strukturelle Ungleichgewichte hin, wie die unzureichende Verteilung von Ärzten zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, sowie auf Defizite in der Erreichbarkeit von Ärzten. Brysch plädiert für eine präzisere Organisation der medizinischen Versorgung.
Reinhardt erläuterte weiterhin, dass der Vorschlag, Hausärzte als zentrale Koordinationsstelle zu nutzen, keine Zugangsbeschränkungen mit sich bringen soll. Im Gegenteil, eine gezielte Überweisung zu Fachärzten, wenn dies medizinisch notwendig ist, soll sicherstellen, dass Patienten die bestmögliche Versorgung erhalten. Langfristig könnten digitale Maßnahmen, ergänzt durch optimierte ambulante und stationäre Behandlungswege, dazu beitragen, das komplexe System zu rationalisieren und den Zugang zur Gesundheitsversorgung transparenter zu gestalten.