Der große Griff ins Portemonnaie
Die Zahl ist absurd groß. Zwei Billionen Euro. So viel will die EU von 2028 bis 2034 ausgeben – 800 Milliarden mehr als bisher. Es wäre der größte Haushalt in der Geschichte der Europäischen Union.
Und zugleich der folgenreichste. Denn um diese Summe zu stemmen, schlägt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nichts Geringeres vor als die Einführung neuer europäischer Steuern.
Für viele Mitgliedstaaten, vor allem für Deutschland, ist das eine rote Linie.
Neue Steuern, altes Prinzip: Wer zahlt, verliert
Hinter dem nüchternen Begriff „Eigenmittel“ verbirgt sich ein radikaler Paradigmenwechsel. Die EU will sich nicht länger nur aus Beiträgen der Mitgliedstaaten finanzieren, sondern eigene Einnahmequellen schaffen – etwa eine neue Abgabe auf Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Die Schätzungen: europaweit wären rund 50.000 Firmen betroffen, in Deutschland allein etwa 20.000.
„Ein zusätzlicher Kostenfaktor zur Unzeit“, warnt die Deutsche Industrie- und Handelskammer.
Auch CSU-Europapolitiker Markus Ferber spricht von einem „Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas“. Die FDP nennt den Plan „ambitioniert bis illusionär“.
Wer zahlt die Party von gestern?
Die Wahrheit ist: Vieles an diesem Entwurf hat mit der Zukunft zu tun – aber bezahlt werden muss vor allem die Vergangenheit.
Denn die Schulden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds – über 800 Milliarden Euro schwer – werden ab 2028 fällig. Allein für Zins und Tilgung sollen künftig 25 bis 30 Milliarden Euro pro Jahr fließen. Ein Fünftel des gesamten Budgets.

Ein Rückzug ist ausgeschlossen: Die EU hat sich mit dem Fonds erstmals als gemeinsamer Schuldner am Kapitalmarkt positioniert. Ein Tabubruch, den viele längst für unumkehrbar halten.
Weniger Kühe, mehr Chips
Gleichzeitig will Brüssel mit dem Geld die Union fit für eine neue geopolitische Weltlage machen. Der Etat soll umgebaut werden – weg von Agrar- und Regionalhilfen, hin zu Verteidigung, Raumfahrt und Wettbewerbsfähigkeit. Rund 130 Milliarden Euro sind allein für Sicherheit und Rüstung vorgesehen, fünfmal mehr als bisher.
„Der stärkere Fokus weg von Biomilch hin zu Biotech ist richtig“, lobt FDP-Europaabgeordneter Moritz Körner. Es sei „überfällig“, dass die Kommission „heilige Kühe schlachtet“.
Für Europas Bauern dürfte das anders klingen. Sie sollen rund 87 Milliarden Euro weniger bekommen – eine Kürzung, die neue Proteste auslösen dürfte. Schon der Green Deal hatte in der Landwirtschaft für Wut gesorgt. Jetzt kommt der nächste Konflikt.
Kein Geld, aber große Pläne
Das Grundproblem: Die EU will mehr, als ihre Mitglieder bereit sind zu leisten. Deutschland lehnt den Entwurf ab – offiziell, weil er nicht vermittelbar sei.
In Wahrheit, weil das Land bereits heute mit Abstand der größte Nettozahler ist. Frankreich und Italien hingegen befürworten das neue Budget – können aber wegen ihrer Verschuldung keine höheren Beiträge leisten.
Ein klassisches Dilemma. Einer will nicht mehr zahlen, der andere kann nicht. Bleibt: die Steuer.
Von der Leyens Vorschlag wirkt daher weniger wie ein Haushaltsentwurf, sondern wie ein stiller Vorstoß in Richtung Steuerunion. Wenn die Nationalstaaten nicht liefern, muss Brüssel das Geld eben selbst eintreiben.
Der Preis der Macht
In Wahrheit ist der neue Haushalt auch ein Symbol europäischer Ambitionen. Die EU will eine geopolitische Rolle spielen, unabhängig von den USA, resilient gegenüber China, gewappnet für Krisen. Dafür braucht sie Geld. Und mehr als bisher.
Aber: Europa ist keine Nation. Es ist ein Staatenverbund mit unterschiedlichen Interessen, Geschwindigkeiten – und Nerven. Deshalb soll über den neuen Haushalt zwei Jahre lang verhandelt werden. Ein Rekord selbst für Brüssel.
Was am Ende herauskommt, ist offen. Dass es teuer wird, ist sicher.
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