Ein Zoll, doppelt so hoch wie üblich – und doppelt so politisch
Ohne Vorwarnung, ohne diplomatische Feinfühligkeit: Mitten in der Woche veröffentlicht Donald Trump einen neuen „Zollbrief“, der es in sich hat. 50 Prozent Einfuhrzoll auf Waren aus Brasilien, in Kraft ab 1. August.
Damit trifft Trump nicht nur die größte Volkswirtschaft Südamerikas – sondern auch einen der wenigen verbliebenen Partner, mit dem die USA zuletzt noch einen stabilen Handelsüberschuss verzeichneten. 7,4 Milliarden US-Dollar Plus für Washington allein im Jahr 2024.
Doch es geht hier um mehr als um Kupfer oder Kaffee. Trump macht keinen Hehl daraus, dass seine Zolloffensive ein politisches Manöver ist – und nimmt Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva persönlich ins Visier.
Der Vorwurf: Lula lasse seinen rechtskonservativen Amtsvorgänger Jair Bolsonaro durch die Justiz verfolgen – angeblich aus politischen Gründen. In Trumps Worten: „Eine Hexenjagd, die SOFORT enden sollte.“
Trumps neue Zollarithmetik: Politik vor Prinzipien
Mit dem Brasilien-Zoll bricht Trump erneut mit der internationalen Handelsordnung. Statt wirtschaftlicher Fairness geht es ihm um ideologische Solidarität.
Jair Bolsonaro, der wegen mutmaßlicher Putschpläne nach der verlorenen Wahl 2022 juristisch belangt wird, ist für Trump ein Opfer – nicht ein Angeklagter. Die US-Strafmaßnahme wirkt daher wie eine politische Schutzbehauptung mit ökonomischer Wucht.
In Brasilien stößt das Vorgehen auf massive Ablehnung. Präsident Lula ließ umgehend ausrichten, man werde sich „von niemandem bevormunden lassen“. Brasiliens Gesetz zur „wirtschaftlichen Gegenseitigkeit“ sieht für solche Fälle spiegelbildliche Gegenmaßnahmen vor. Ein Zollkrieg zwischen den beiden Amerikas ist damit vorprogrammiert.
Südamerika auf Trumps Zollkarte – ein geopolitischer Tabubruch
Bisher galten Trumps Zollmaßnahmen vor allem China und Europa. Jetzt weitet er seine Liste aggressiv aus – 24 Länder wurden allein diese Woche mit neuen Zöllen belegt.
Neben Brasilien sind darunter auch Libyen, Moldau, Brunei oder Sri Lanka. Auch Südkorea, Japan, Indonesien oder Thailand müssen ab August mit 25 bis 36 Prozent Einfuhrabgabe rechnen. In Brasilien jedoch schlägt die Maßnahme tiefer: Die Strafzölle treffen Kupfer, Eisen, Soja – Produkte, auf die die US-Wirtschaft teils selbst angewiesen ist.
Und noch ein Detail ist brisant: Trump koppelt die 50-Prozent-Zölle nicht an Handelsvergehen, Dumping-Vorwürfe oder unfaire Subventionen – sondern an ein laufendes Justizverfahren in einem souveränen Staat. Das ist diplomatisch beispiellos und könnte auch in multilateralen Gremien wie der WTO Wellen schlagen.
Lula bleibt gelassen – aber nicht defensiv
Lulas Antwort fällt ebenso deutlich aus: „Souveränität, Respekt und unerschütterliche Verteidigung der brasilianischen Interessen“ seien nicht verhandelbar, erklärte der Präsident via X.

Man werde auf jeden Angriff mit klaren Gegenmaßnahmen reagieren. Insbesondere der Vorwurf, Brasilien instrumentalisiere die Justiz, werde entschieden zurückgewiesen. Die Ermittlungen gegen Bolsonaro seien Sache unabhängiger Institutionen – nicht des Weißen Hauses.
Das dürfte in Washington auf taube Ohren stoßen. Trump, der seine zweite Amtszeit mit harter Hand führen will, lässt erkennen: Internationale Rechtsstaatlichkeit interessiert ihn nur dann, wenn sie in den eigenen ideologischen Plan passt. Im Fall Bolsonaro scheint dieser Plan klar – und die wirtschaftliche Eskalation das Mittel der Wahl.
Brasilien ist kein Nebenschauplatz
Anders als kleinere Schwellenländer, die in Trumps Zollliste kaum Einfluss auf die Weltwirtschaft haben, ist Brasilien ein Schwergewicht: Mehr als 210 Millionen Einwohner, Rohstoff-Gigant, führend in Landwirtschaft, Energie, Bergbau.
Die USA sind nach China der zweitgrößte Handelspartner. 2024 exportierten die USA Waren im Wert von 49,7 Milliarden US-Dollar nach Brasilien – und importierten Güter im Wert von 42,3 Milliarden US-Dollar. Gerade für US-Maschinenbauer, IT-Exporteure oder Pharmaunternehmen ist der brasilianische Markt ein Wachstumsanker.
Ein 50-Prozent-Zoll könnte diese Beziehungen empfindlich treffen – besonders, wenn Brasilien im Gegenzug amerikanische Exporte mit eigenen Zöllen belegt. Auch europäische Unternehmen könnten betroffen sein, etwa durch gestörte Lieferketten oder veränderte Marktbedingungen. Schon jetzt wird in Brüssel mit Sorge beobachtet, wie Trump außenpolitische Flächenbrände mit wirtschaftlichen Flammenwerfern schürt.
Kupferzölle für alle – America First im Rohstoffformat
Parallel zur Brasilien-Maßnahme kündigte Trump eine pauschale 50-Prozent-Abgabe auf alle Kupferimporte an – unabhängig vom Ursprungsland. Begründung: Der Wiederaufbau einer „dominanten amerikanischen Kupferindustrie“. Für die Weltwirtschaft ist das eine Kampfansage.
Kupfer ist zentral für Stromnetze, Elektromobilität, Digitalisierung. Eine US-Alleinfahrt bei der Preisgestaltung würde globalen Preisdruck erzeugen – und geopolitische Spannungen verschärfen. Dass Brasilien einer der größten Kupferlieferanten der USA ist, dürfte kein Zufall sein.
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