29. Juli, 2025

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15 Prozent Zoll – Trump pokert, Europa zahlt

Der neue Deal zwischen den USA und der EU klingt nach Kompromiss, ist aber in Wahrheit ein schmerzhaftes Eingeständnis europäischer Schwäche. Wer aufatmet, hat den Preis noch nicht gesehen.

15 Prozent Zoll – Trump pokert, Europa zahlt
15 statt 2 Prozent: Der Zollsatz auf EU-Produkte in den USA steigt drastisch – ein Rückschritt in den transatlantischen Handelsbeziehungen, wie es ihn seit dem Stahlstreit 2002 nicht mehr gab.

Eine Vereinbarung im Golfclub – und ein fauler Kompromiss

Die Kulisse war malerisch, der Ort ungewöhnlich: Nicht in Brüssel, nicht in Washington, sondern im schottischen Golfclub Turnberry, Eigentum von Donald Trump, wurde der neue Handelsdeal zwischen den USA und der EU beschlossen.

Ein früher Sonntagabend, ein kleiner Kreis – Trump, von der Leyen, Šefčovič – und am Ende eine Zahl: 15 Prozent Einfuhrzoll auf europäische Produkte.

Die EU-Kommissionspräsidentin reiste an, um einen Handelskrieg abzuwenden. Heraus kam ein Deal, der zwar kurzfristig Erleichterung bringt, langfristig aber teure Folgen haben dürfte. Für die Wirtschaft, für den europäischen Selbstanspruch – und für das Verhältnis zu den USA.

Von 2 auf 15 Prozent – ein schlechter Tausch

Was in der ersten Reaktion nach Deeskalation aussieht, ist bei genauerem Hinsehen ein herber Rückschritt. Der durchschnittliche US-Zollsatz auf EU-Produkte lag in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei etwa zwei Prozent.

Mit dem neuen Abkommen klettert er auf das Siebenfache – ein massiver Einschnitt, vor allem für den Exportstandort Deutschland.

Dass Trump zuvor mit 30 Prozent gedroht hatte, macht die jetzige Zahl nicht besser – es zeigt nur, wie erfolgreich er Europa in eine Verhandlung auf Basis seiner eigenen Drohkulisse gezwungen hat. Und es macht deutlich, wie wenig Handlungsfreiheit Brüssel in dieser Situation noch hatte.

Von Partnerschaft keine Spur – Trump zwingt die EU zu mehr Importen amerikanischer Rohstoffe und Waffen, ohne selbst substanzielle Zugeständnisse zu machen.

Von der Leyens Poker – und Trumps Show

Während Trump auf seinem Heimatplatz Golf spielte, wartete von der Leyen. Der US-Präsident kam zur Pressekonferenz gut gelaunt, sprach über Windräder, Wale, illegale Migration – und darüber, wie schön sein Club sei. Von der Leyen saß daneben, emotionslos, höflich. Diplomatisch.

Im Tausch für den 15-Prozent-Zoll versprach die EU, künftig mehr amerikanischen Stahl, Gas und Waffen zu kaufen. Die ganz großen Brocken wie Aluminium und bestimmte Metalle bleiben allerdings weiter mit Strafzöllen von 50 Prozent belegt. Besonders heikel: Auch europäische Autos werden jetzt deutlich teurer – unter Joe Biden galt ein Satz von nur 2,5 Prozent.

Merz und Caspary loben – die Wirtschaft stöhnt

Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von einem Erfolg in letzter Minute. Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary sieht immerhin Planbarkeit für Unternehmen.

Doch aus der Wirtschaft kommen härtere Töne. Dirk Jandura vom Außenhandelsverband nennt das Abkommen einen „schmerzhaften Kompromiss“. Und es stimmt: Jedes Prozent Zoll bedeutet Mehrkosten – für Exporteure, Kunden, Lieferketten. Besonders im Mittelstand dürfte die Schmerzgrenze bald erreicht sein.

Ein strategischer Sieg für Trump

Für Trump ist das Ganze ein doppelter Gewinn. Innenpolitisch kann er sich als harter Verhandler präsentieren, der Jobs schützt und Handelsdefizite abbaut. Außenpolitisch zwingt er die EU zu Zugeständnissen – ohne selbst viel aufzugeben.

Teures Nachspiel: Der neue US-Zoll könnte das deutsche BIP laut IfW Kiel jährlich um bis zu 0,13 Prozentpunkte drücken – besonders die Autoindustrie steht unter Druck.

Der Vergleich mit Japan macht das besonders deutlich: Auch dort wurden 15 Prozent Zölle vereinbart – aber im Gegenzug investiert Tokio 550 Milliarden Dollar in den USA, kauft 100 Boeing-Maschinen und mehr US-Agrarprodukte. Trump hat eine einfache Philosophie: Wer handeln will, muss zahlen. Und zwar ihm.

Europa ohne echte Strategie

Der Deal von Turnberry ist ein Moment der Wahrheit. Er zeigt, wie wenig strategischen Handlungsspielraum die EU aktuell hat – wirtschaftlich wie politisch. Während die USA protektionistisch vorgehen und China längst global Einfluss nimmt, reagiert Europa, statt zu agieren.

Der eigentliche Skandal liegt nicht in der Zollhöhe. Sondern darin, dass ein Präsident der USA das europäische Handelsmodell nach Belieben umkrempeln kann – und die EU kaum etwas dagegenzusetzen hat. Eine eigene Agenda? Fehlanzeige. Eine gemeinsame Linie der Mitgliedsstaaten? Fraglich. Eine starke politische Führung? Selten sichtbar.

Und jetzt?

Das Abkommen muss noch von allen 27 EU-Staaten abgesegnet werden. Danach folgen technische Verhandlungen. Ob wieder in Trumps Ballsaal oder diesmal doch im Konferenzraum – offen. Fest steht: Die neue Weltordnung in der Handelspolitik ist kein Ort für Harmoniesucht.

Europa muss sich entscheiden: Will es weiter auf globale Regeln und Diplomatie setzen – oder endlich lernen, Machtpolitik mit wirtschaftlichen Mitteln zu betreiben? Der Deal von Turnberry sollte ein Weckruf sein. Kein Grund zum Feiern.

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