Mercedes krempelt sein Elektro-Design um
In Stuttgart hat man offenbar verstanden: Der technokratische EQ-Look der Elektrobaureihen ist bei den Kunden nicht angekommen. Nun zieht Mercedes-Benz die Reißleine – und kehrt zurück zu einem einheitlichen Design über alle Antriebsarten hinweg.
Statt futuristischer Sonderwelten wird das „Markengesicht“ nun wieder zur Richtschnur – egal ob Diesel, Benzin oder Strom.
Designchef Gorden Wagener formulierte auf der Messe in Shanghai, was in Konzernkreisen bereits seit Monaten diskutiert wird:
„Das Schlimmste an neuen Designtrends ist, keine Identität zu haben.“
Und damit sind weniger einzelne Linien oder Lichtleisten gemeint – sondern die visuelle Verwässerung der Marke selbst.
Die EQ-Strategie war ein Irrweg
Die Idee, E-Modelle optisch radikal vom Verbrenner-Portfolio abzugrenzen, sollte einst Differenzierung schaffen – doch sie wurde zur Design-Falle.
Die EQ-Modelle blieben hinter den Verkaufserwartungen zurück, galten als austauschbar, charakterlos und aerodynamisch korrekt, aber kühl. Im Premiumsegment, wo das Design zum Statussymbol gehört, verlor Mercedes die emotionale Bindung.
Wagener trifft einen Nerv, wenn er sagt:
„Ein Mercedes darf nicht wie ein Kühlschrank sein – etwas, das man nur braucht.“
Die Rückkehr zum selbstbewussten, klassischen Markendesign ist nicht nur ein ästhetisches Statement, sondern eine strategische Korrektur.
Einheitsdesign statt Technologie-Showroom
Künftig sollen Modelle wie EQE und E-Klasse oder EQS und S-Klasse optisch kaum mehr unterscheidbar sein. Der CLA und GLC werden designseitig vereinheitlicht – die Form folgt nun wieder der Marke, nicht dem Motor.

Was für Puristen als Rückschritt erscheinen mag, ist in Wahrheit eine Konsolidierung des Portfolios.
Doch damit stellt sich auch eine grundsätzliche Frage: Gibt Mercedes damit ein Stück Innovationssichtbarkeit auf?
Wer technologischen Fortschritt nur noch unter der Oberfläche erkennt, könnte den Eindruck gewinnen, der Konzern verliere seine Vorreiterrolle im E-Mobilitätsmarkt – oder er setzt bewusst auf eine ruhigere Inszenierung. Ein kalkulierter Bruch mit dem Technologie-Pathos, wie es Tesla oder BYD pflegen.
„Respekt“ als neues Designnarrativ
Auffällig ist die Wortwahl: Mercedes will seinen Kunden wieder „Respekt“ entgegenbringen – durch Formensprache, die Wert, Würde und Souveränität ausstrahlt. Wagener macht klar: Wer einen Mercedes fährt, hat es „zu etwas gebracht“. Das soll das Fahrzeug zeigen – und nicht verbergen.
Der Konzern kehrt damit zurück zu einer alten Stärke: Markenarroganz, bewusst kultiviert. Während viele Hersteller versuchen, durch Verzichtsnarrative nachhaltiger zu wirken, setzt Mercedes wieder auf Premiumpathos. Das ist mutig – aber nicht ohne Risiko. Denn der Grat zwischen Prestige und Abgehobenheit ist schmal.
Rückbesinnung statt Revolution
Die Entscheidung für ein markenübergreifendes Design bedeutet auch eine Zäsur in der E-Mobilitätskommunikation. Die Botschaft: Der Elektroantrieb ist nicht mehr das Differenzierungsmerkmal – er ist Standard.
Was zählt, ist die Marke, nicht die Technologie. Mercedes gibt damit das Narrativ vom „besonderen Auto für eine besondere Zukunft“ auf – und ersetzt es durch „ein Mercedes bleibt ein Mercedes.“
Ob das strategisch reicht, um gegen Tesla, BMW oder neue Player wie Nio zu bestehen, ist offen. Denn diese setzen weiterhin auf gestalterische Differenzierung – und auf Markenversprechen, die stark über Technologie definiert sind.
Unsere Einschätzung
Mercedes-Benz vollzieht eine kluge, wenn auch späte Kurskorrektur. Die Rückbesinnung auf eine klare, markenübergreifende Designsprache ist ein überfälliger Befreiungsschlag vom diffusen EQ-Konzept.
In einem zunehmend ausdifferenzierten E-Markt wird emotionale Markenbindung wichtiger als technische Alleinstellungsmerkmale, die binnen Monaten überholt sein können.
Doch mit der gestalterischen Vereinheitlichung geht auch Verantwortung einher: Die Fahrzeuge müssen technisch trotzdem auf der Höhe bleiben – leise Dominanz allein reicht nicht. Mercedes darf jetzt nicht den Fehler machen, Luxus wieder nur oberflächlich zu definieren.
Der Markenkern muss nicht nur sichtbar, sondern spürbar werden – in Reichweite, Software, Infrastruktur, Nutzererlebnis.
Die Designentscheidung ist ein Signal – aber sie bleibt ein Anfang. Ob sie zum Schlüssel für den Markterfolg wird, entscheidet sich nicht auf dem Zeichenbrett, sondern im Alltag der Kunden – und auf den globalen Absatzmärkten.
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