29. Mai, 2025

Unternehmen

ZF zerlegt sich selbst – ein Konzern im Ausverkaufsmodus

Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen verkauft Stück für Stück sein Unternehmen. Schulden, schwache Renditen, schlechte Ratings – jetzt drückt auch noch Trumps Zollpolitik auf die Werke in Deutschland. Die Strategie des Vorstandschefs: verkaufen, was sich verkaufen lässt.

ZF zerlegt sich selbst – ein Konzern im Ausverkaufsmodus
Die Herabstufung durch Moody’s und S&P verschärft den Druck – Fremdkapital wird zum Risiko statt zur Option.

Wenn das Herz zum Verkaufsobjekt wird

ZF Friedrichshafen galt lange als Inbegriff des deutschen Industrieerfolgs – technologisch führend, international vernetzt, solide wachsend. Heute wirkt das Bild wie aus der Zeit gefallen. Der Traditionszulieferer mit über 160.000 Mitarbeitenden taumelt von einem operativen Problem ins nächste.

Die Bilanz für 2024? Erschütternd. Bei 41 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete ZF gerade einmal 0,5 Prozent operative Marge – das ist kaum mehr als ein Atemzug über der Nulllinie. Gleichzeitig stieg die Nettoverschuldung auf dramatische 10,5 Milliarden Euro.

Ratingagenturen wie Moody’s und S&P stuften den Konzern in den sogenannten „spekulativen Bereich“ herab. Für die Finanzierung bedeutet das: Es wird teurer. Deutlich.

Zollpolitik trifft das Werk

Während die Rendite bröckelt, rückt das nächste Problem heran – diesmal außenpolitisch. Donald Trump, zurück im Weißen Haus, hat Zölle gegen europäische Autobauer angekündigt.

Noch sind sie nicht in Kraft, doch die Unsicherheit wirkt bereits: BMW plant laut ZF, Getriebe für die Produktion in Spartanburg künftig direkt aus den USA zu beziehen – und nicht mehr aus dem deutschen Werk in Saarbrücken.

Der Auftrag bleibt im Konzern – aber eben nicht in Deutschland. Für das dortige Getriebewerk könnte das das Aus für Tausende Arbeitsplätze bedeuten. Der Produktionsverlust trifft ZF genau dort, wo es noch funktioniert: in der traditionell starken Antriebstechnik.

Mit nur 0,5 % EBIT ist ZF finanziell kaum noch handlungsfähig – jeder konjunkturelle Rückschlag wird zur Existenzfrage.

Verkaufen, was Rendite bringt – nicht was überflüssig ist

Der neue ZF-Chef Holger Klein will gegensteuern – und zwar nicht mit Innovation, sondern mit Veräußerung. Die Strategie: ein beschleunigter „Portfolio-Umbau“. In Wahrheit: ein Notverkauf, um Liquidität zu sichern und die Bilanz zu entlasten.

Als erstes steht das Airbaggeschäft „Lifetec“ mit rund fünf Milliarden Euro Umsatz auf der Liste. Gespräche mit Interessenten laufen, unter anderem mit dem US-Zulieferer Adient. Der Deal wäre ein Befreiungsschlag – doch hinter vorgehaltener Hand heißt es, ZF fordere mehr als der Markt bereit ist zu zahlen.

Parallel dazu laufen Gespräche über ein mögliches Joint Venture im Bereich Elektronik und Fahrerassistenzsysteme. Umsatz: 2,8 Milliarden Euro. Interessenten: Samsung-Tochter Harman. Auch hier: hohe Erwartungen auf ZF-Seite – zurückhaltende Einschätzung bei potenziellen Partnern.

Der größte Brocken: das Elektrogeschäft

Am heikelsten aber ist Division E – das Elektro- und Hybridgeschäft von ZF. Es enthält auch die Getriebesparte, für viele intern „das Herz der ZF“. Fast jeder Fünfte im Konzern arbeitet hier.

Der Verbrennerteil läuft noch gut – aber der Elektrobereich gilt als defizitär und schwer vermittelbar.

Zwar sondierte der Konzern schon 2023 potenzielle Käufer, doch bislang fehlt jede ernsthafte Bewegung. Die Einschätzung eines Insiders klingt ernüchternd: „Für das Elektrogeschäft wird sich kein Käufer finden.“ Damit droht dem Konzern nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein strategisches Vakuum – ohne klaren Fokus, ohne klare Perspektive.

ZF veräußert als erstes den renditestarken Bereich – ein kurzfristiger Liquiditätsgewinn, langfristig ein Substanzverlust.

Ein Konzern im Rückwärtsgang

ZF steckt in einem klassischen Teufelskreis: Die operative Schwäche zwingt zum Verkauf, doch der Verkauf trifft ausgerechnet die Einheiten, die noch funktionieren oder technologisch relevant sind.

Was bleibt, ist ein kleinerer, fokussierterer Zulieferer – vielleicht. Vielleicht aber auch ein Konzern, der auf dem Rückzug ist, weil er seine Zukunft verkauft hat, bevor sie am Markt ankam.

Klar ist: Die Lage ist kritisch. Holger Klein hatte Anfang 2024 angekündigt, binnen zwei Jahren 6 Milliarden Euro Ergebnisverbesserung zu schaffen. Die Hälfte sei geschafft, heißt es aus dem Unternehmen. Aber was nützt eine Verbesserung, wenn sie durch Marktverluste, Zinskosten und Strukturprobleme sofort wieder verpufft?