21. Juni, 2025

Unternehmen

Wird Elon Musks Konzern zum nächsten Rüstungsgiganten?

Ein Analyst von Morgan Stanley sieht in Tesla mehr als nur einen Autobauer: Adam Jonas hält einen Einstieg in die Luftfahrt – und sogar ins Rüstungsgeschäft – für realistisch. Wie ernst ist das gemeint? Und was würde das für Anleger bedeuten?

Wird Elon Musks Konzern zum nächsten Rüstungsgiganten?
Tesla-Chef Elon Musk ist bereits mit SpaceX tief in der Raumfahrt etabliert – doch bislang fehlen konkrete Schritte oder Produkte, mit denen Tesla selbst in die zivile oder militärische Luftfahrt einsteigen würde.

Tesla hebt ab – zumindest in der Theorie

Ein Kursziel von 410 US-Dollar. So weit oben sieht Adam Jonas, langjähriger Tesla-Bulle bei Morgan Stanley, die Aktie des Autobauers. Doch dieses Mal reicht dem Analysten der Blick auf Batterien, Autopilot und Gigafactories nicht mehr.

Jonas sieht eine ganz neue Wachstumsstory – buchstäblich über unseren Köpfen: die sogenannte „Low Altitude Economy“, also die kommerzielle Nutzung des Luftraums bis zu 1.000 Metern Höhe.

Städtische Luftmobilität, Drohnenlogistik, fliegende Taxis – Jonas glaubt, dass Tesla mittelfristig nicht nur mitmischen, sondern dominieren könnte. Das klingt waghalsig, kommt aber nicht aus dem Nichts.

Vom Elektroauto zum Fluggerät

Tesla in der Luft – das ist mehr als ein PR-Gag. In seinen aktuellen Analysen vergleicht Jonas die Potenziale der urbanen Luftfahrt mit der Automobilindustrie des 20. Jahrhunderts.

Das Marktvolumen der „Urban Air Mobility“-Branche könnte bis 2050 auf bis zu 9 Billionen US-Dollar wachsen, schreibt er. Sollte Tesla sich auch nur einen kleinen Teil davon sichern, würde das die heutigen Bewertungsspielräume pulverisieren.

Denn: Jonas traut Tesla zu, ein ganzes Ökosystem fliegender Geräte zu bauen – inklusive Fertigung, Software, Infrastruktur und Sensorik. „Tesla ist heute bereits vertikal so stark integriert wie kaum ein anderer Hersteller“, heißt es im Report. Genau das, was es für komplexe, autonome Luftfahrzeuge braucht.

Rüstungsindustrie – in Zivilkleidung?

Das klingt nach Science-Fiction. Doch der Analyst geht noch weiter. Bereits 2021 habe Morgan Stanley Tesla als ein „Rüstungsunternehmen in Konsumentenkleidung“ bezeichnet. Damals war das ein provokanter Vergleich. Heute wird daraus ein Investment-Case.

Tesla verfügt über eigene Halbleiter, Sensoriksysteme, Kameraeinheiten, Energieversorgungstechnologie und zunehmend auch KI-Kapazitäten. Alles Komponenten, die – bei entsprechender Skalierung – auch in militärischen Anwendungen denkbar sind: Drohnenflotten, Kommunikationssysteme, mobile Sensorik, autonome Überwachungseinheiten.

Tesla verfügt über Infrastruktur und Technologien, die für militärische Anwendungen prinzipiell interessant wären – bislang jedoch ohne jegliche Zulassung, Partnerschaft oder Entwicklungsprojekt im Verteidigungsbereich.

Dass Tesla aktuell keine Rüstungsverträge hat? Jonas hält das nicht für entscheidend. Der Markt bewege sich schnell, sagt er. Und Firmen wie SpaceX oder Palantir hätten vorgemacht, wie man als Tech-Konzern in das Verteidigungsgeschäft einsteigen kann – wenn man das will.

Die Realität sieht (noch) anders aus

Tatsächlich ist Teslas aktueller Fokus weit geerdeter: Autonomes Fahren, Robotaxis, neue Gigafactories. Noch im Juni soll das erste „Cybercab“ vorgestellt werden – ein autonomes Fahrzeug, das laut Elon Musk den Personenverkehr revolutionieren könnte. Ob es auch fliegen kann? Nein – zumindest noch nicht.

Und auch in Teslas offiziellen Geschäftsberichten taucht Luftfahrt bisher nicht auf. Kein Produkt, keine Sparte, kein Projekt. Nur Musks Beteiligung an SpaceX liefert eine technologische Nähe zur Raumfahrt – allerdings außerhalb der Tesla-Struktur.

Was steckt hinter Jonas’ Fantasie?

Analyst Adam Jonas ist bekannt für seine ambitionierten Tesla-Prognosen. Er war einer der Ersten, die Tesla überhaupt als globalen Technologiekonzern – und nicht nur als Autobauer – bewerteten. Seine Kursziele bewegen Märkte. Doch sie sind oft mehr Inspiration als unmittelbare Realität.

Was er beschreibt, ist ein Möglichkeitsraum – kein Businessplan. Ein Gedankenspiel, wie Tesla in Zukunft aussehen könnte, wenn es sich von der Straße in den Himmel erhebt.

Für Anleger ist das ein zweischneidiges Schwert: Wer Jonas glaubt, sieht in Tesla das Google der Luftfahrt. Wer skeptisch ist, erkennt hier einen weiteren Versuch, ambitionierte Wachstumsstorys zu rechtfertigen, wo operative Gewinne bislang zu selten glänzen.

Wall Street bleibt gespalten

Ein Blick auf das Meinungsbild unter Analysten zeigt: Nicht alle folgen Jonas’ Höhenflug. Von 35 befragten Analysten auf TipRanks raten derzeit 14 zum Kauf, 12 zum Halten, 9 zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt sogar unter dem aktuellen Börsenpreis. Mit anderen Worten: Jonas steht mit seiner 410-Dollar-Prognose ziemlich alleine da.

Und: Die Spanne ist riesig. Zwischen 19,05 und 500 US-Dollar reicht das Spektrum der Kursziele – ein Ausdruck der Unsicherheit, wie Teslas Zukunft bewertet werden soll. Zwischen hypereffizienter Produktionsmaschine und visionärem Luftmobilitätskonzern scheint alles möglich.

Luftschloss oder Luftüberlegenheit?

Die Frage bleibt: Was wird Tesla wirklich daraus machen? Hat Elon Musk Interesse an Luftfahrt – oder bleibt das Thema Spielwiese für Analystenfantasien? Und selbst wenn: Würde eine demokratische Gesellschaft überhaupt akzeptieren, dass ein Privatkonzern wie Tesla sich in den militärischen Luftraum vorwagt?

Jonas sagt: Die Grundlagen seien da. Tesla müsse nur noch liefern. Doch zwischen Analyse und Realität liegt nicht nur der Luftraum – sondern auch jede Menge regulatorisches, politisches und gesellschaftliches Neuland.

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